© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Wer soll das bezahlen?
Energiewende: Obwohl der Strompreis sinkt, müssen private Haushalte immer höhere Kosten tragen. Denn der Staat kassiert ordentlich mit
Christian Schreiber

Sigmar Gabriel bohrt gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Bundesminister für Wirtschaft und Energie dicke Bretter. „Ein Minister im Kampfmodus“, titelte die Wochenzeitung Die Zeit kürzlich. Besonders die Energiewende hat der SPD-Vorsitzende einer kritischen Prüfung unterzogen.

In der vergangenen Woche stellte er seine Pläne für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor. Und dabei drückt er aufs Tempo. Spätestens bis Ostern muß er die Reform fertig haben, ansonsten könnte der Bundesregierung Ungemach aus Brüssel drohen.

Brüssel kritisiert den deutschen Sonderweg

Die EU-Kommission stört sich seit längerem an wesentlichen Bestandteilen der Energiewende in Deutschland. Daher gehen Gabriels Pläne teilweise auch deutlich über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD hinaus. So will er weit mehr Betreiber von neuen Windkraft- und Solaranlagen zwingen, ihren Strom selbst zu vermarkten, als ursprünglich festgeschrieben.

Ab 2015 soll es eine verpflichtende Direktvermarktung für alle Anlagen mit einer Leistung ab 500 Kilowattstunden geben. Zwei Jahre später soll dann die verpflichtende Direktvermarktung für alle neuen Ökostromanlagen ab einer Leistung von 100 Kilowattstunden kommen. Ursprünglich sollte dies nur für viel größere Anlagen ab fünf Megawatt zur Pflicht werden. Ökostromanbieter in Deutschland profitieren bislang wegen des Einspeisevorrangs von einer automatischen Abnahmegarantie. Sie erhalten 20 Jahre lang ihr Entgelt nach festen Vergütungssätzen. Nach Gabriels Plänen sollen sie ihren Strom künftig selbst über die Börse oder über Zwischenhändler auf den Markt bringen. Die Preise dort sind aber in aller Regel geringer – zumindest im Vergleich zu dem, was der Staat bisher zahlt.

Damit die Ökostromanbieter nicht in finanzielle Schieflage geraten, soll die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem Vergütungssatz allerdings rückwirkend über eine Marktprämie ausgeglichen werden. Die kleinen Anbieter befürchten nun einen erheblichen Mehraufwand. Ziel der Initiative aus dem Wirtschaftsministerium ist es langfristig, die Ökostrombranche an den freien Markt heranzuführen. Vor allem die EU-Kommission hatte den deutschen Sonderweg in Sachen Energiewende bereits in der Vergangenheit höchst kritisch beobachtet. Gabriel versucht nicht nur die Kritiker in Brüssel ruhigzustellen, er hat auch die eigene Klientel im Sinn.

Die stetig ansteigenden Strompreise in Deutschland sind vielen Bürgern mittlerweile ein Dorn im Auge. Die staatliche Abnahmegarantie sorgt bis jetzt dafür, daß die neuen Ökostromanlagen konkurrenzfähig im Vergleich mit Kohlekraftwerken bleiben. Da der Ökostrom teurer ist, müssen Stromkunden über die EEG-Umlage draufzahlen. Pro Haushalt kommen nach derzeitigem Stand jährlich mehr als 220 Euro zusammen.

Durch die von Kanzlerin Angela Merkel unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 in Windeseile forcierte Energiewende kam es in den vergangenen Jahren zu einem regelrechten Boom auf dem Markt der Erneuerbaren Energien.

Dadurch stieg die EEG-Umlage sprunghaft an. „Mir geht es darum, endlich Planungssicherheit zu gewährleisten und die Strompreise zu stabilisieren“, sagte Gabriel der Deutschen Presse-Agentur. Mit Planungssicherheit meint er die Unstimmigkeiten mit der EU. So sollen unter anderem Industrierabatte bei der Förderung auf Druck Brüssels gekürzt werden. Von über 700 Millionen Euro ist die Rede.

Gabriel ist im „Netz der Lobbyisten“

Leidtragende könnte hierbei unteren anderem die Deutsche Bahn sein. Bahnchef Rüdiger Grube warnte vergangene Woche bereits vor drastischen Preiserhöhungen um bis zu zehn Prozent, falls die Bundesregierung die Ausnahmeregelung für die EEG-Umlage abschaffen sollte. „Die Kosten für die Energiewende zahlen ohnehin die Kunden“, bilanzierte die Rheinische Post ohne Umschweife. Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht Gabriel bereits gefangen im „Netz der Lobbyisten“. Landauf, landab regen sich Proteste gegen die Pläne. Das gilt auch für das Vorhaben, künftig nicht mehr jeden Bau einer Ökostromanlage nach dem Gießkannenprinzip zu fördern.

„Volkswirtschaftlich unsinnig“, kontert mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig ausgerechnet ein Parteifreund Gabriels und glaubt, „daß damit die Energiewende unnötig teuer wird und zudem erhebliche Unsicherheiten geschaffen werden“. Hintergrund seiner Äußerungen dürfte aber viel eher die Tatsache sein, daß sich gerade in seinem Bundesland viele Ökostromanbieter auf dem bislang lukrativen Markt drängen und der Landesvater einen Verlust von Arbeitsplätzen befürchtet.

Während EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger Gabriels Pläne für „ausbaufähig“ hält, stellt sich für den Minister ein weiteres Problem. Um zu verhindern, daß die Gesetzesänderung im Bundesrat blockiert wird, braucht er die Unterstützung der Grünen. Das dürfte allerdings schwierig werden. Parteichefin Simone Peter sieht jedenfalls viel Korrekturbedarf: „Die Erneuerbaren Energien sollen mit scharfer Klinge rasiert werden, die Kohle kommt ungeschoren davon“, kritisierte sie via Spiegel Online.

 

Teures Projekt

Fast die Hälfte dessen, was private Haushalte für ihren Strom bezahlen müssen, geht in Form von Steuern und Abgaben an den Staat (siehe Grafik). Zweitgrößter Faktor ist dabei die sogenannte EEG-Umlage, mit der die Mehrkosten für die garantierte Einspeisevergütung der Ökostromerzeuger auf die Stromverbraucher umgelegt wird.

Energieintensive Betriebe („Sonderabnehmer“) sind davon ausgenommen.

Die Bemessungsgrenze für diese Befreiung ist im vergangenen Jahr gesenkt worden, so daß die Finanzierung auf eine geringere Zahl von Verbrauchern verteilt wird. Nach derzeitigem Stand kommen 2014 etwa 2.700 Unternehmen in den Genuß einer Befreiung von der EEG-Umlage. Die EU-Kommission sieht darin eine unzulässige Beihilfe.

Dagegen sind in einer Beispielrechnung für eine dreiköpfige Familie in Westdeutschland die monatlichen Stromkosten innerhalb von zwei Jahren um etwa 14 Prozent gestiegen, obwohl der reine Strompreis (Erzeugung und Vertrieb) sogar um rund 3 Euro gesunken ist.

 

Energiewende in Zahlen

Anteile an der Stromerzeugung 2012

In Deutschland wurden 2012 insgesamt 618 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Wichtigster Energieträger ist Kohle (über 45 Prozent). Rund 22 Prozent stammen aus Erneuerbaren Energien. Bis 2050 soll ihr Anteil auf 80 Prozent weiter steigen.

Die EEG-Umlage ist im vergangenen Jahr gegenüber 2012 um fast 47 Prozent gestiegen. Energieintensive Betriebe („Sonderabnehmer“) sind davon befreit.

(Grafik siehe PDF)

Foto: Viel Geld vom Winde verweht: Bei der Förderung sogenannter Erneuerbarer Energien kündigt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel an, umzusteuern. Skepsis ist angebracht

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