© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Alexander Dugin. Der Kampf um die Ukraine offenbart den geopolitischen Riß Europas
Moskaus Kulturkrieger
Stefan Michels

Der aktuelle Machtkampf zwischen der ukrainischen Opposition und Präsident Janukowitsch, der durch den abrupten Rückzug der Regierung vom Assoziierungsabkommen mit der EU ausgelöst wurde, ist ohne Geopolitik nicht zu verstehen. An der Ukraine zerren seit jeher die Kräfte von West und Ost.

Auf russischer Seite redet der Philosoph Alexander Dugin dem „Eurasianismus“ das Wort. Als Leiter des Zentrums für konservative Studien der soziologischen Fakultät der Moskauer Staatsuniversität besitzt er durchaus das Ohr der Moskauer Mächtigen. Und sein möglicher Einfluß beunruhigt westliche Liberale.

Dugin fordert, daß der postsowjetische Raum endlich zu sich selbst zurückfinde. Seine Seele sei durch die kontinentale Natur des Lebensraums geprägt, und dem grenzenlosen Horizont entspreche eine imperiale Herrschaftsform, die sich über seine Völkervielfalt wie eine Glocke väterlich schützend wölbt. Ob Peter der Große, Stalin oder Putin, so radikal der politische Wandel gewesen ist, den Rußland durchlaufen hat, so sehr bewundert Dugin das einigende Band, das Monarchisten, Nationalisten und Kommunisten hochgehalten hätten: die Bewahrung eines starken, einigen Rußlands, das seine heilige Kultur und Traditionen verteidige und dem Land in der Welt Geltung verschafft habe.

Der natürliche Feind dieser landbezogenen Ordnung sei der Liberalismus, so Dugin, dessen individualistische und kapitalistische Werte Grenzen einreißen, Traditionen hinwegfegen und Kulturen nivellieren. Dieser Globalisierungsprozeß ist für Dugin ein Meister aus Amerika, der die Völker überall ihres althergebrachten, einzigartigen Gepräges beraubt, um sie durch die Uniformität einer auf ökonomische Verwertbarkeit reduzierten Weltkultur zu ersetzen.

Um dieser Bedrohung zu begegnen, wirbt Dugin für ein russisches Bündnis mit den Kontinentalmächten Deutschland und Frankreich gegen den Atlantizismus der angelsächsischen Staaten. Grundlage seiner Version einer multipolaren Weltordnung ist der gegenseitige Respekt vor der Eigenart und Eigenständigkeit der Großräume der Welt, die sich in einer Art Interventionsverbot für raumfremde Mächte äußert, wie es bereits Carl Schmitt vorgeschwebt hatte.

1962 in Moskau geboren, spiegelt Dugins Vita die Brüche der jüngeren Geschichte seines Landes wider. Noch vor der Wende widmete er sich in kleinen Zirkeln dem Studium nonkonformistischer Literatur. Nach dem für ihn traumatischen Zusammenbruch der Sowjetunion begann er geistige Wanderjahre auf der Suche nach der politischen Formel, die Rußland vom Einfluß der westlichen Reformer um Jelzin befreit und die ihn 1993 zur Gründung der Nationalbolschewistischen Partei führte, bis er Ende der neunziger Jahre schließlich seine Heimat im Neo-Eurasianismus fand.

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