© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/14 / 24. Januar 2014

Knapp daneben
Für das Berufsleben lernen wir
Karl Heinzen

Die Zahl junger Menschen nimmt seit langem europaweit ab. Mehr und mehr werden sie zu einer gesellschaftlichen Rarität. Auf den Arbeitsmärkten gelten sie dennoch nicht als Mangelware. Im EU-Schnitt sind momentan 23,6 Prozent aller Jugendlichen erwerbslos. In Spanien, Griechenland, Kroatien und Italien scheint die Wirtschaft gar nichts mehr mit ihnen anfangen zu können. Aber auch in Deutschland liegt die Arbeitslosenquote der Jugendlichen um 50 Prozent über jener der Gesamtbevölkerung.

Vor nicht ferner Zeit, als der Traum von einer postmateriellen Gesellschaft nicht nur jenen zugestanden wurde, die ihn sich aufgrund ihres Wohlstandes leisten können, hätte man die zunehmende Ausgrenzung junger Menschen aus der Arbeitswelt als ermutigendes Signal dafür gewertet, daß die klassische Erwerbstätigkeit allmählich ihrem Ende entgegengeht.

Junge Berufsanfänger gelten als lustlos und unfähig. Verantwortlich dafür sei das Bildungssystem.

Heute jedoch ist es angesichts eines härter werdenden globalen Wettbewerbs unabdingbar, alle Humanressourcen optimal auszuschöpfen. Das heißt nicht, daß jeder, der arbeiten will, auch arbeiten darf. Es wäre aber Verschwendung, Menschen, deren Beschäftigung sich rentieren könnte, die Chance zu verweigern, dies unter Beweis zu stellen.

Bei Jugendlichen sind die Risiken und Kosten jedoch besonders hoch. Man muß erst in ihre Ausbildung investieren. Berufsanfänger haben keine Referenzen vorzuweisen, man weiß nicht, woran man bei ihnen ist. Einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge ist jedes vierte deutsche Unternehmen mit seinen jungen Beschäftigten unzufrieden. Sie gelten als lustlos und unfähig, Probleme systematisch anzugehen. Als Verantwortlichen für die Misere machen die Unternehmen das Bildungssystem aus. Sicher ist es schön, daß der Staat die Kosten für die schulische Qualifikation des Nachwuchses trägt. Er plant jedoch an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei. Das humanistische Bildungsideal der Persönlichkeit mit breitem Wissen und Bürgersinn ist zwar längst ad acta gelegt. Die Erkenntnis, daß das Leben, für das Jugendliche lernen, nur das Berufsleben sein kann, hat sich aber noch nicht durchgesetzt.

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