© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/14 / 24. Januar 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Washingtons kalte Schulter
Henning Hoffgaard

Schwarz auf weiß. Was nicht irgendwo niedergeschrieben ist, hat für deutsche Politiker keinen Wert. Kein Wunder also, daß sich das politische Berlin derzeit so stark an einem geplanten No-Spy-Abkommen mit den Vereinigten Staaten abarbeitet. „Die USA müssen erkennen, daß wir in einem gemeinsamen Sicherheitsbündnis sind“, forderte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann.

So ähnlich klingt das derzeit in allen Parteien: „Ein Scheitern wäre eine Brüskierung der Bundesregierung“ (CSU-Innenexperte Stephan Mayer), „Die Bundesregierung muß ihren bisherigen Kurs nun zwingend überdenken“ (Konstantin von Notz, stellvertretender Grünen-Fraktionschef), „Mich wundert es nicht, daß die USA sich einem No-Spy-Abkommen verweigern“ (FDP-Europaabgeordnete Nadja Hirsch), „Sieben Monate nach Beginn des NSA-Skandals steht die Bundesregierung völlig nackt da“ (Linken-Politiker Jan Korte).

Und das alles, weil sich der amerikanische Präsident Barack Obama am vergangenen Freitag in einer lange erwarteten Rede weigerte, die Spionage-Politik grundlegend zu ändern. Tenor: Staatschefs von verbündeten Nationen sollen nicht mehr abgehört werden. Auch die Bürgerrechte in anderen Ländern will Obama nun nicht mehr unterlaufen. Es sei denn, die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten erfordere entsprechende Maßnahmen.

Fazit: Ein bißchen weniger Überwachung. Vielleicht zumindest. Und das nur unter bestimmten Bedingungen. Natürlich ohne Kontrolle. Die Hoffnung allerdings stirbt zuletzt. Auch bei Philipp Mißfelder (CDU). Der Transatlantiker und Amerika-Beauftragte der Bundesregierung läßt in Sachen No-Spy-Vertrag nicht locker. „Wir wollen es gern haben, nicht irgendein Dokument, sondern ein überprüfbares Abkommen.“ Daß Wa-shington der Bundesregierung die „kalte Schulter“ zeige, sei nicht akzeptabel.

Das allerdings sieht nicht jeder im Kabinett so. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will zwar „hart“ mit der Obama-Administration verhandeln. Allerdings nur, wenn dabei keine deutschen Interessen gefährdet würden. „Ein Freihandelsabkommen wäre in unserem Sinne. Das Swift-Abkommen hilft auch der Terrorbekämpfung. Die Safe-Harbour-Regelung hilft deutschen Unternehmen, daß sie nicht Probleme bekommen, wenn sie Daten übermitteln.“ Der CDU-Politiker verwies darauf, daß sich die Debatte in Deutschland derzeit zu sehr auf den amerikanischen Geheimndienst NSA fixiert habe. „Maß ist das Gebot der Stunde und nicht Übermaß.“

De Maizière appellierte deswegen, nicht zu verdrängen, daß auch andere Staaten das Internet systematisch überwachten. „Der Schutz des Internet – gegen wen auch immer – , das ist unsere gemeinsame Aufgabe.“ Ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten mache nur Sinn, „wenn es wirklich Substanz hat“. Mißfelder bringt das Dilemma auf den Punkt: „Kann es sich die Leitnation der westlichen Welt erlauben, einen Nato-Partner dauerhaft vor den Kopf zu stoßen?“

Kommentar Seite 2

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