© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Auch Supermärkte können billig
Handelsketten: Großmarktketten leiten neue Welle im Preiskampf ein / Geschäftsmodell von Aldi und Lidl in Gefahr?
Christian Schreiber

Steht der deutsche Lebensmittelmarkt vor einer Revolution? Jahrzehntelang galt im Einzelhandel die Grundregel: Discount-Marktführer Aldi setzt die Preisuntergrenze bei Lebensmitteln des täglichen Bedarfs wie Milch, Nudeln oder Konserven. Der größte Konkurrent Lidl zieht in aller Regel nach, und die anderen halten sich daran. Diese alte Welt gerät ins Wanken.

Was zunächst noch ein Testballon ist, könnte sich für die beiden großen deutschen Billig-Anbieter zu einem echten Problem entwickeln. Die zum Metro-Konzern gehörende Supermarktkette Real hat im November eine neue Billigmarke gestartet, die die Konkurrenz preislich unterbieten soll, qualitativ allerdings nicht auf höchstem Niveau anzusiedeln ist.

Die Discounter sind zu premiumlastig geworden

„Es ist durchaus möglich, daß Real damit einen Preiskrieg in Deutschland auslöst, wie wir ihn seit Jahren nicht mehr gesehen haben“, prognostiziert Handelsexperte Matthias Queck. Derzeit bietet Real rund zwanzig Artikel an, die gesondert gekennzeichnet ausgestellt sind. Dazu gehören Nudeln und Fruchtsäfte, aber auch Socken und Glühbirnen. Konkurrent Kaufland bietet bereits über 2.000 solcher Produkte (K-Classic) an.

„Die Discounter haben ihre Qualität immer weiter nach oben geschraubt, so daß darunter wieder Raum ist“, sagte Real-Chef Didier Fleury gegenüber dem Fachblatt Lebensmittel Zeitung als Begründung für die neuen Niedrigpreise. Handelsexperte Queck sieht untere Einkommensschichten als wichtiges Kundensegment: „Es gibt Haushalte in Deutschland, für die selbst der Einkauf im Discounter eine finanzielle Herausforderung darstellt. Es gibt eine Klientel, die noch billiger einkaufen muß.“

Für Aldi und Lidl ist die Situation schwierig. Sie kämpfen an zwei Fronten. Bisher galten die Deutschen als ausgesprochen knauserig, was die Ausgaben für Lebensmittel betraf. Doch das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Eine Studie des Lebensmittelkonzerns Nestlé im Jahr 2012 gab interessante Aufschlüsse. Der Preis, in Deutschland bislang das bedeutendste Verkaufsargument, hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren.

58 Prozent der Deutschen legen auf eine hohe Qualität ihrer Lebensmittel, Frische, Geschmack und Herkunft Wert. Dabei zählt bereits jeder vierte Verbraucher (26 Prozent) zur Gruppe der „Quality Eater“ (engl. Qualitätsesser), die besonders hohe Maßstäbe an die Lebensmittelqualität stellen.

Neben gutem Geschmack (89 Prozent) und hoher Sicherheit (92 Prozent), müssen Lebensmittel für „Quality Eater“ gut für die Gesundheit (92 Prozent) sein und Nachhaltigkeitsaspekte wie eine artgerechte Tierhaltung beachten (81 Prozent). Nicht von ungefähr drucken längst alle – von Lidl bis Netto – selbst auf Eigenmarken-Fischstäbchen einen Hinweis auf nachhaltigen Fischfang.

Bio- und Supermarktketten als Konkurrenten der Discounter

Billig-Konzerne wie Aldi haben bereits vor Jahren darauf reagiert und die Qualität im Sortiment angehoben und zusätzlich auch Markenprodukte wie beispielsweise Nutella ins Programm aufgenommen. Zusätzlich gibt es immer noch eine starke Palette von Eigenprodukten, um das untere Marktsegment zu bedienen. Denn auch in der Nestlé-Studie zeigte sich der Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht und dem Qualitätsbewußtsein bei Lebensmitteln. „Quality Eater“ sind nicht nur mehrheitlich weiblich (62 Prozent) und älter als 30 Jahre, sondern in der Regel überdurchschnittlich gebildet und verfügen über ein höheres Haushaltseinkommen. Für Lebensmittel geben sie mehr Geld aus als der Durchschnittsbürger.

Im Klartext: Wer viel Geld hat, gibt auch mehr Geld für Lebensmittel aus. Aldi und Lidl könnten so in eine Preisfalle tappen. Denn der Lebensmittel-Marktführer Edeka hat bereits vor einigen Jahren angefangen, die Vormachtstellung der Discounter-Riesen anzugreifen. Zunächst kaufte der Hamburger Konzern den Billiganbieter Plus und wandelte ihn zu Netto um. Gleichzeitig putzte er das angestaubte Image der eigenen Läden auf und positionierte sich geschickt in vielen deutschen Großstädten mit modernen Märkten.

Parallel dazu schossen sogenannte Bio-Läden wie die Pilze aus dem Boden und sicherten sich mehr und mehr Marktanteile. Handelsexperte Queck sieht darin auch einen Trend für die Zukunft: „Die Bereitschaft zum Geldausgeben und bewußtem Einkauf ist gestiegen. Die Leute schauen, sofern sie es sich leisten können, schon genauer hin.“ Doch im Niedrigpreis-Sektor könnte nun ein regelrechter Unterbietungskampf ausbrechen.

Foto: Discount-Strategie: Die Handelskette Kaufland wirbt seit Monaten mit ihren Niedrigstpreisen für Produkte des täglichen Bedarfs

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