© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Leiden für den Herrn
Weltverfolgungsindex: Hundert Millionen Christen sind Opfer
Thorsten Brückner

Hundert Millionen sind eine nur schwer vorstellbare Zahl. Hundert Millionen Menschen sind mehr als Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen Einwohner haben. Es ist die Zahl von Menschen, die wegen ihres Glaubens an Jesus Christus Angst um ihr Leben und ihre gesellschaftliche Existenz haben müssen. Der alljährliche Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks Open Doors gibt auch 2014 keinen Anlaß zum Optimismus.

In den zehn Ländern, in denen Christen am stärksten verfolgt werden, ist im vergangenen Jahr der Verfolgungsdruck erneut gestiegen. Obwohl die Gründe für die Verfolgung von Land zu Land verschieden sind, sticht auch in diesem Jahr wieder die starke Präsenz islamischer Staaten ins Auge. Neun der zehn Staaten mit der stärksten Verfolgung sind mehrheitlich muslimisch.

Das neostalinistische Nordkorea steht jedoch auch in diesem Jahr wieder auf dem unrühmlichen ersten Platz – zum zwölften Mal in Folge. Nach der Machtübernahme von Kim Jong-un, der selbst nicht davor zurückschreckt, engste Verwandte an Hunde zu verfüttern, hat sich die Situation der Christen nicht verbessert, sondern im Gegenteil verschlechtert. Hunderttausende Christen befinden sich in Straf- und Arbeitslagern, wo physische Gewalt und Zwangsarbeit bis zur Erschöpfung an der Tagesordnung sind.

Mit Somalia steht erstmals ein Staat südlich der Sahara auf dem zweiten Platz. Grund hierfür sind vor allem radikalislamische Milizen wie die al-Shabaab, die für einen Scharia-Staat kämpfen. Erschwerend kommt hinzu, daß es sich bei somalischen Christen fast ausschließlich um Konvertiten vom Islam handelt, die nach islamischem Recht des Todes würdig sind. Eine starke Zentralregierung als Gegengewicht zu den Milizen existiert nach wie vor nicht.

Dramatisch ist die Verschlechterung der Lage für die Christen in Syrien. Belegte das Land 2012, unmittelbar nach Ausbruch des Bürgerkriegs, noch den 36. Platz im Index, steht es nun nach dem 11. Platz im vergangenen Jahr auf Platz 3. Die wachsende Präsenz islamistischer Terrorgruppen in den von den Rebellen gehaltenen Gebieten ist hierfür die Hauptursache. Gruppen wie ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) vertreten eine salafistisch-islamistische Ideologie und sind verantwortlich für zahlreiche Entführungen und grausame Ermordungen syrischer Christen. Diese machten noch unmittelbar vor Beginn des Bürgerkriegs zehn Prozent der Einwohner des Landes aus und bildeten damit nach dem Libanon die stärkste christliche Minderheit aller Nahoststaaten. Im Oktober wurden in dem mehrheitlich von Christen bewohnten Ort Sadat 45 Zivilisten ermordet und in Massengräbern verscharrt.

Während die Verschärfung der Lage in den „Top Ten“-Staaten angesichts der politischen Situation nicht verwundert, wartet der diesjährige Bericht auch mit einigen traurigen Überraschungen auf. So machten das lateinamerikanische Land Kolumbien (von 46 auf 25), das südostasiatische Sri Lanka (neu im Index auf 29) und die Zentralafrikanische Republik (neu im Index auf 16) den größten Sprung.

In Kolumbien sind es nach Angaben von Open Doors vor allem in den Drogenhandel involvierte Guerilla-Gruppen, denen die christlichen Gemeinden ein Dorn im Auge sind. Vertreibungen ganzer Dörfer und Ermordungen prominenter Pastoren gehen vor allem auf ihr Konto. Die Farc-Rebellen hätten demnach ihren einst kommunistischen Hintergrund weitgehend abgestreift und verhielten sich wie gewöhnliche kriminelle Banden. Sie haben Teile der Gebiete, die unter Präsident Alvaro Uribe wieder unter Regierungsgewalt gebracht wurden, inzwischen zurückerobert.

Erstmals taucht in diesem Jahr der Inselstaat Sri Lanka im Index auf. Vier Jahre nach Ende des Bürgerkriegs zwischen der Regierung und tamilischen Separatisten, sind es hier vor allem buddhistisch-nationalistische Gruppierungen, die im vergangenen Jahr, häufig unterstützt von einem Mob aus der Bevölkerung, mehr als 50 Kirchen angriffen.

Verfolgungsdruck in Afrika bleibt weiterhin hoch

Im subsaharischen Afrika ist der Verfolgungseifer muslimischer Extremisten weiter groß. Während in Nigeria die radikalislamische Boko Haram daran arbeitet, im Norden des Landes einen Gottesstaat zu errichten und dabei vor Morden an Christen und massenhaftem Brandschatzen von Kirchen nicht zurückschreckt, hat sich besonders die Situation in der Zentralafrikanischen Republik zugespitzt. Trotz einer christlichen Bevölkerungsmehrheit ermordeten die muslimischen Seleka-Rebellen hier zahlreiche Pastoren und vergewaltigten massenweise christliche Frauen.

Laut Open Doors wurden 2013 mindestens 2.000 Christen wegen ihres Glaubens ermordet. Es ist anzunehmen, daß die tatsächliche Zahl um ein Vielfaches höher liegt. Heute ist das christliche Hilfswerk in über 60 Ländern vertreten. Seine Arbeit begann 1955, als der als „Schmuggler Gottes“ bekannt gewordene Bruder Andrew, der Gründer der Organisation, es sich zur Aufgabe machte, Bibeln in seinem Privatauto hinter den Eisernen Vorhang zu schmuggeln. Neben dem jährlichen Verfolgungsindex will sie den verfolgten Christen ein Gesicht und eine Stimme geben. In seinem kostenlosen Magazin läßt Open Doors daher Monat für Monat verfolgte Christen zu Wort kommen und erleichtert durch Darstellung von Einzelschicksalen eine Identifikation mit den Glaubensgeschwistern in Verfolgungsregionen.

 

Weltverfolgungsindex 2014

Land Platz Punkte 2014 Platz Punkte 2013

 Nordkorea 1. 90 1. 87

Somalia 2. 80 5. 74

Syrien 3. 79 11. 71

Irak 4. 78 4. 74

Afghanistan 5. 78 3. 74

Saudi-Arabien 6. 78 2. 75

Malediven 7. 77 6. 74

Pakistan 8. 77 14. 63

Iran 9. 77 8. 72

Jemen 10. 74 9. 72

Die Punkte ergeben sich aus sechs Kategorien: Verfolgung im Privatleben, im Familienleben, im sozialen Leben, dem Leben im Staat, kirchlichem Leben und physischer Gewalt. In jeder Kategorie kann ein Land zwischen 0 und 16,667 Punkten erhalten. Bei der Endpunktzahl handelt es sich um Rundungswerte. Nordkorea erreicht gleich in vier Kategorien die Höchstpunktzahl. Seit 1993 bewertet jedes Jahr eine Arbeitsgruppe von Open Doors die Verfolgungssituation. Die Erhebungen resultieren aus Befragungen von Kirchenleitern, Experten und Mitarbeitern vor Ort. Erstmals ist der Index in diesem Jahr von Wissenschaftlern des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit (IIRF) überprüft worden. Open Doors erhofft sich hiervon eine breitere Akzeptanz der Analyse.

Foto: Eine christliche Gemeinde feiert in Nigeria Gottesdienst in ihrer von Islamisten niedergebrannten Kirche: Gewalt nimmt weltweit zu

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