© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Parkinson im Bundestag
Paul Rosen

Von dem britischen Soziologen Cyril Northcote Parkinson (1909–1993) stammt das Gesetz von der stetig wachsenden Verwaltung, die sogar noch wächst, wenn man sie ihrer eigentlichen Aufgaben entledigt, wie er treffend am Beispiel des britischen Kolonialministeriums nachwies.

Die von Parkinson entdeckten Gesetzmäßigkeiten gelten auch im Deutschen Bundestag. Die Aufgaben des Parlaments reduzieren sich rapide, weil so viele Zuständigkeiten nach Brüssel abgegeben werden. Dennoch ist der 18. Bundestag mit 631 Abgeordneten größer als das Plenum in der 17. Legislaturperiode (620). Auch bei den Ausschüssen ist regelmäßiges Wachstum zu beobachten.

Im Normalfall ist jedem Ministerium ein Ausschuß zugeordnet, der das Ministerium kontrolliert. Das Finanzministerium sieht sich zwei Ausschüssen gegenüber. Der Finanzausschuß regelt das Steuerrecht, ist also für die Einnahmen zuständig, während der Haushaltsausschuß über die Ausgaben wacht. Das Innenministerium ist zwar für den Sport zuständig, aber nicht der Innenausschuß. Sportbegeisterte Abgeordnete haben für einen Sportausschuß gesorgt, der zwar wenig zu regeln hat, aber dessen Mitglieder bei allen sportlichen Großveranstaltungen auf diesem Planeten in rekordverdächtiger Größenordnung auftreten. Vorsitzende ist Dagmar Freitag (SPD).

Kurios ist der Ausschuß für Tourismus. Der wurde geschaffen, damit der CSU-Politiker Ernst Hinken, einstmals Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, mit einem parlamentarischen Posten bedacht werden konnte. Der niederbayerische Bäckermeister Hinken wurde Vorsitzender des Tourismusausschusses. Hinken ist längst aus dem Bundestag ausgeschieden, „sein“ Ausschuß existiert aber weiter und wird von Klaus Brähmig (CDU) geleitet. Viel mehr als die Inaugenscheinnahme von Sehenswürdigkeiten steht selten an; aber Reisen bildet bekanntlich selbst Abgeordnete.

Ein auf Wunsch und Druck der Grünen initiierter Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe dümpelt neben dem Auswärtigen Ausschuß her, der wiederum auch nicht so recht weiß, was er unternehmen soll. Nicht nur, daß Auswärtiges reines Regierungshandeln und oft strikt vertraulich ist. Auch für Europa gibt es längst den Europaausschuß, der aber wiederum fast nur Brüsseler Vorgaben abzunicken hat. Souveräne Entscheidungen sind für die deutschen Gremien kaum noch möglich. Als neues Gremium wird im Bundestag bald ein Internetausschuß eingerichtet. Die Fraktionen streiten sich schon um den Vorsitzendenposten; was das Gremium machen soll, weiß man noch nicht.

Parkinson ist aber nicht nur der Erfinder des gleichnamigen Gesetzes, sondern hat auch noch die „Komitologie“ entwickelt. Er untersuchte Gremien und deren Größe, um zu erfahren, ab wann die völlige Geschäftsunfähigkeit erreicht sein würde. Nach seinen Ergebnissen ist das ab einer Besetzung von 20 oder 21 Personen der Fall. Damit sieht es nicht gut aus für die deutsche Energiewende. Der dafür zuständige Wirtschaftsausschuß wurde von 41 auf 46 Mitglieder vergrößert.

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