© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

Umwelt
Quälerei in der Ferne
Volker Kempf

Austern sind Weichtiere und werden in Europa lebend geschlürft. Niemand ruft „Skandal“. Bei Muscheln endet die Empathie, gestand sogar Konrad Lorenz, der bekanntlich mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen redete. In Asien käme der Zoologe allerdings aus dem Grübeln über den „Abbau des Menschlichen“ und das „sogenannte Böse“ nicht mehr heraus, so viel wird dort lebendig verspeist. In Japan sind es nur Fische, in China gibt es gekochten Hund, das Fell wird mitunter noch bei lebendigem Leibe abgezogen. Der neueste Trend aus dem Reich der Mitte ist es, sich ein lebendes Schildkrötenbaby als Schlüssel­anhänger in einen Plastikbeutel einschweißen lassen. Das Tier lebt mitunter noch Tage. Aus Asiens kommen aber auch große Weisheiten: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln“, fand Mahatma Gandhi. An dessen Worten gemessen ist der Untergang des Morgenlandes nicht mehr weit.

Betäubungsloses Schächten wird aus vorgeblich religiösen Gründen akzeptiert.

Fassungslose Abendländer zeichnen daher zu Hunderttausenden auf International Avaaz die Petition „Stop living animals“ gegen tierquälerische Produkte in Asien, in der Hoffnung, die Uno möge der Sache nachgehen. Auf Pekinger Tierschutzgesetze und deren Einhaltung zu pochen, ist schwierig. Aber es gibt auch in Deutschland genug Mißstände. Das Schlachten im Akkord ist oft mit Fehlbetäubungen verbunden und mit schärferen Kontrollen dringend anzugehen. Betäubungsloses Schächten wird aus vorgeblich religiösen Gründen noch immer akzeptiert. Lebendig gegessen werden die Tiere zwar nicht, aber der Erstickungstod dauert mit aufgeschnittener Halsschlagader und in die Lunge laufendem Blut oft bei vollem Bewußtsein Minuten. Warum so weit in der Ferne protestieren, wenn das Elend ist so nah?

secure.avaaz.org

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