© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

Gefangen in der Zone
Deutsche Familie darf nicht nach Frankreich ziehen
Thorsten Brückner

Gefährdet eine deutsche Familie mit ihren Auswanderungsabsichten nach Frankreich das Wohl ihrer Kinder? Nein, der Fall vor dem Amtsgericht Darmstadt stammt nicht aus dem Jahr 1939, sondern aus der letzten Dezemberwoche des Jahres 2013. Unter anderem mit dieser Begründung wies Richter Markus Malkmus die Klage der Familie Wunderlich auf Rückgabe des Sorgerechts ab, das sie durch ein Urteil vom September 2012 verloren hatte.

Nicht etwa, weil Dirk und Petra Wunderlich ihre vier Kinder im Alter zwischen sieben und 14 Jahren mißhandelt oder vernachlässigt hätten, sondern einzig, weil sie der hessischen Schulpflicht nicht nachkamen und stattdessen ihren Nachwuchs mit Verweis auf ihr elterliches Erziehungsrecht zu Hause unterrichteten. Im September vergangenen Jahres sorgte der Fall dann bundesweit für Aufsehen, als ein Kommando der Polizei das Haus der Familie stürmte, den Eltern gewaltsam die Kinder entriß und diese für mehrere Wochen in einem Heim unterbrachte. Erst als Dirk und Petra Wunderlich zusicherten, ihre Kinder auf einer staatlichen Schule anzumelden, durften die Kinder nach Hause zurückkehren.

Richter urteilt gegen Recht auf Freizügigkeit

Die Möglichkeit, die Familie könnte während der Schulferien, in denen sie jeweils kurzzeitig das Aufenthaltsbestimmungsrecht zurückerhält, nach Frankreich auswandern, brachte Richter Malkmus nun in Rage. Durch die Auswanderungspläne sei das Kindeswohl ebenso gefährdet wie allgemein durch den Heimunterricht der Kinder, hieß es in seiner Urteilsbegründung. Der Anwalt der Familie Wunderlich, Andreas Vogt, spricht von einer „skandalösen Rechtsprechung“, die an die frühere DDR-Doktrin erinnere, daß sogenannte Republikflucht verhindert werden müsse. „Die Familie ist jetzt quasi in der Bundesrepublik Deutschland gefangen und darf die ‘Zonengrenze’ nicht überschreiten“, sagte Vogt.

Auch Dirk Wunderlich ist von der Rolle der Gerichte enttäuscht: „Ausgerechnet die Dritte Gewalt, die die Rechte der Bürger sicherstellen soll, stellt für die Gewährleistung universaler Grundrechte Bedingungen auf“, sagte Wunderlich der JUNGEN FREIHEIT. Dies betreffe sowohl das elterliche Erziehungsrecht als auch das Recht auf Freizügigkeit. „Das ist keine Gewaltenteilung im Sinne von Machtbegrenzung, sondern lediglich Arbeitsteilung dreier an einem Strang ziehender Gewalten, um die Bürger effizienter beherrschen zu können.“

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