© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

CD-Kritik: Philippe Jaroussky
In der Schwebe
Jens Knorr

Hat zuletzt Cecelia Bartoli das Kastraten(un)wesen aus der Perspektive der Opfer interpretiert, so holt nun der französische Countertenor Philippe Jaroussky einen Täter auf die Hörbühne, der alles andere als uneigennützig an seinem Schüler gehandelt haben dürfte. Nicola Porpora, Komponist und Gesangslehrer und eine der zentralen Gestalten der neapolitanischen Schule, bildete Carlo Broschi, der seinen Künstlernamen der ihn fördernden Anwaltsfamilie Farina entlehnte, an seiner Privatschule aus. Der Schüler brauchte Lehre und Protektion des Lehrers, der ihm die Musik, die sein Können herausstellte, auf den Leib schrieb. Und der Lehrer brauchte den Schüler, der ihn künstlerisch bald überragen sollte, um seine Noten zum Leben zu bringen.

Der Beziehung Porporas zu Farinelli, die am Ende auf rätselhafte Weise abbrach, geht der Musikwissenschaftler Frédéric Delaméa essayistisch nach – und Jaroussky mit seiner Kunst. Die dramatische Geste ist dieses Sängers Sache weniger, aber wie er seine Stimme in den lyrisch-elegischen Teilen verströmt, die Noten erfühlt und erfüllt, zumal im Zwiegesang mit der Bartoli, das verführt zu dem Schluß, daß der Ersatzvater weit mehr geheime Leidenschaft für den Ziehsohn hineingelegt hat, als die serienmäßigen Libretti ihm zu komponieren aufgaben. Jaroussky hält alles in der Schwebe.

Philippe Jaroussky: Farinelli. Arien von Nicola Porpora, Erato Warner Classics www.warnerclassics.com; www.philippe-jaroussky.fr

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