© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

Ein unappetitlicher Verdacht
NPD: Nach dem Rücktritt von Parteichef Holger Apfel wird über die Gründe und seinen Nachfolger spekuliert
Felix Krautkrämer

Hat er, oder hat er nicht? Diese Frage bewegt derzeit nicht nur die NPD. Seit Holger Apfel kurz vor Weihnachten überstürzt als Parteivorsitzender und Chef der sächsischen Landtagsfraktion zurückgetreten war, wollen Gerüchte über dessen Beweggründe nicht verstummen.

Bereits am Tag seines Rücktritts, dem 19. Dezember, war hinter vorgehaltener Hand von „sexuellen Verfehlungen“ des dreifachen Familienvaters die Rede gewesen. Offiziell wollte sich jedoch kein NPD-Funktionär zu den Vorwürfen äußern. Doch nach und nach wurden mehr Details bekannt. So soll Apfel Ende August 2013 auf einem Dorffest im hessischen Hanau nach einer Wahlkampfveranstaltung einen jungen Helfer aus Leipzig belästigt haben. Die Schilderungen reichen von „unsittlich angefaßt“ bis „in die Hose gegriffen“. Ähnliche Vorwürfe gab es bereits 2008 nach einem Sommerfest im sächsischen Gröditz schon einmal gegen Apfel. Doch im aktuellen Fall existiert eine eidesstattliche Versicherung des mutmaßlichen Opfers Daniel S., in der dieser den Vorgang detailliert schildert.

Offiziell hatte Apfel den Rücktritt mit Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit begründet. Er leide unter „Burn-out“, hieß es. Doch viele in der NPD halten dies nur für die halbe Wahrheit. Zwar habe Apfel in den letzten Wochen durchaus einen angeschlagenen Eindruck gemacht, berichten ehemalige Parteifreunde, nur hätten die Vorwürfe gegen ihn dabei ganz offensichtlich eine nicht unerhebliche Rolle gespielt.

Nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT war Apfel bereits am 4. Oktober 2013 von seinem Generalsekretär Peter Marx darüber informiert worden, daß entsprechende Gerüchte in der Partei kursieren. Doch offenbar sahen sich weder Marx noch Apfel genötigt, zu reagieren. Dies änderte sich für Apfel, als die Vorwürfe ab dem 11. Dezember in seiner Fraktion im sächsischen Landtag bekannt wurden und sich Stimmen mehrten, er müsse Konsequenzen ziehen – was er wenige Tage später auch tat.

Apfel beließ es allerdings nicht bei einem Rücktritt. Am 24. Dezember informierte er den Parteivorstand, daß er nach 24 Jahren aus der NPD austrete. Gleichzeitig erklärte er in dem der JF vorliegenden Schreiben eidesstattlich, daß er „zu keinem Zeitpunkt für Geheimdienste tätig war und auch nicht erpreßt wurde“. Entsprechende Spekulationen waren wegen des bevorstehenden NPD-Verbotsverfahrens vor allem im Internet aufgekommen.

Voigt und Pastörs werden als Nachfolger gehandelt

Die Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung vermochte der frühere NPD-Chef in seiner Erklärung dagegen nicht wirklich zu entkräften: Es sei damals im August ein „geselliger Abend“ gewesen, an dem „viel getrunken wurde“. Wegen des „übermäßigen Alkoholkonsums“ habe er „kein Erinnerungsvermögen“ mehr an die besagte Nacht. Schon sein betrunkener Zustand sei für sich genommen in seiner damaligen Funktion als NPD-Chef nicht hinnehmbar gewesen, zeigete sich Apfel reumütig. „Sollte es wirklich zu ‘unsittlichen Berührungen’ gekommen sein, so wäre das erst recht nicht akzeptabel.“ Da ihm bewußt sei, diesen Makel nicht mehr loszuwerden, habe er sich zum Rücktritt entschieden – auch wenn viele dies vermutlich als Schuldeingeständnis werten würden.

Für die NPD steht in diesem Jahr viel auf dem Spiel. Neben dem bevorstehenden Verbotsverfahren findet im Mai die Europawahl statt. Zudem werden die Landesparlamente in Thüringen, Brandenburg und Sachsen gewählt. Während sich die Partei in den ersten beiden Ländern zumindest Achtungserfolge erhofft, geht es in Sachsen um den Wiedereinzug. Unter den gegebenen Umständen wäre Apfel hierfür wohl kaum der geeignete Spitzenkandidat gewesen. Der sächsische Landesvorsitzende Holger Szymanski hält die Entscheidung daher auch für konsequent: „Nach meiner persönlichen vorläufigen Einschätzung haben sich die Vorwürfe gegen Holger Apfel erhärtet“, sagte Szymanski der JF. Allein das reiche als Rücktrittsgrund aus.

Im Parteivorstand ist der stellvertretende Bundesvorsitzende Frank Schwerdt mit der Klärung der Vorgänge beauftragt. Er hofft, an diesem Wochenende einen ersten Zwischenbericht vorlegen zu können. Spätestens auf dem Parteitag am 18. Januar wird das Thema dann auf der Tagesordnung stehen. Denn in der Partei herrscht erheblicher Klärungsbedarf.

Eigentlicher Anlaß ist jedoch die Wahl der Kandidaten für das Europaparlament. Neben dem Fraktionschef aus Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, bewirbt sich auch der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt für den Spitzenplatz auf der Kandidatenliste. Pastörs war Apfels Wunschkandidat, ein Vertrauensbeweis, der sich nun als Belastung herausstellen könnte. Sowohl

Voigt als auch Pastörs, der die Partei derzeit kommissarisch führt und als Vertreter des radikalen Flügels gilt, werden zudem als potentielle Nachfolger Apfels im Amt des Parteivorsitzenden gehandelt. Eine Entscheidung hierrüber soll allerdings erst im Herbst gefällt werden.

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