© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Knapp daneben
Elektronischer Schutz vor Infizierung
Karl Heinzen

Immer wieder werden die Polizeibehörden unserer Republik mit einem peinlichen Vorwurf konfrontiert: Eigentlich sollen sie doch die Bürger auch vor Rechtsverstößen durch Nazis schützen. Nicht wenige ihrer Mitarbeiter erwecken jedoch den Eindruck, daß sie selbst mit rechtsextremistischem Gedankengut sympathisieren. Dieser Vorwurf ist, darauf deuten zahlreiche merkwürdige Vorfälle hin, mehr als bloß die Schutzbehauptung paranoider Antifas, die damit von ihrer eigenen Neigung zum Rechtsbruch ablenken wollen.

Wie aber kann man sich dieses Phänomen erklären? Gewiß ist es auch darauf zurückzuführen, daß Sicherheitsorgane, die oft hart an der Grenze der Legalität operieren müssen, ein prinzipielles Faible für jene entwickeln, die der staatlichen Autorität den Vorrang vor den Rechten des Individuums geben. Es gibt aber auch einen ganz praktischen Grund: Heerscharen von Polizisten sind gezwungen, unablässig den ganzen Wust von Nazimusik auf CDs und in Online-Radios akribisch abzuhören.

Was auf Schulhöfen zu Recht als Einstiegsdroge in die rechte Szene gefürchtet ist, kann aber auch auf einen noch so hart gesottenen Beamten nicht ganz ohne Wirkung bleiben. Wer immerzu und sei es mit dienstlichem Auftrag die Musik der Nazis hören muß, wird früher oder später selber einer.

Es dient also nicht bloß dem Schutz des Rechtsstaates, sondern ebenso der Fürsorge für die eigenen Mitarbeiter, wenn das sächsische LKA nun eine Software nutzt, die die Auswertung verdächtiger CDs und Netzseiten automatisiert und beschleunigt. Eine Woche habe ein Experte bislang benötigt, um acht Stunden Material zu sichten. Das Programm erledigt dies in Sekunden, ohne daß ein Beamter infiziert werden könnte.

Die Verfassungsschützer werden neidvoll auf ihre Kollegen bei der Polizei schauen. Ihnen kann die Software nämlich kaum helfen. Sie identifiziert Inhalte, die verboten sind. Der Verfassungsschutz muß jedoch noch auskundschaften, was erst später vielleicht verboten werden kann. Seine Mitarbeiter bleiben daher gefährdet, durch ihre allzu intensive Beschäftigung mit Nazis diesen immer ähnlicher zu werden.

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