© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

DVD: Zeuge gesucht
Nächtliche Odyssee
Werner Olles

Wie in den Filmen von Fritz Lang und Alfred Hitchcock spielen auch in Robert Siodmaks Arbeit Details und Objekte eine wesentliche Rolle. In seinen psychologischen Thrillern der Schwarzen Serie geht es fast immer um Verbrechen aus Liebe und Leidenschaft, um Entfremdung und Sehnsucht nach Geborgenheit, die in höchste Gefahr führt.

Der klassische Film noir kennt viele Varianten, aber in all diesen Filmen regiert der Schrecken, der hinter der vertrauten Fassade des Alltags aufbricht. In den besten Filmen kristallisiert sich das Grauen in Szenen von makabrem Reiz, und in manchen Passagen zerfällt die Wirklichkeit dann in Trümmer, die sich zu Traumbildern ordnen: bei Hitchcock schlägt Realismus dann in Surrealismus um, bei Lang und Siodmak in Expressionismus.

Robert Siodmaks erster und vielleicht bester Film noir war „Zeuge gesucht“ (The Phantom Lady, 1944), entstanden nach dem gleichnamigen Roman von Cornell Woolrich, einem der stilbildenden Autoren des Genres. Von Joan Harrison, einer langjährigen Mitarbeiterin von Hitchcock, produziert, bildete er den Auftakt einer Reihe von Filmen der Serie, bei denen Woody Bredell die Kamera führte. Siodmak regte ihn an, für seine Arbeit die Verteilung von Hell und Dunkel in Rembrandts Gemälden zu studieren. Das Ergebnis war eine lange nächtliche Odyssee mit expressionistischen Lichteffekten, ein grandioses Licht- und Schattenspiel vor dem Hintergrund effektvoller Kulissen, das so faszinierend ist, daß die Handlung darüber fast ein wenig zu kurz kommt.

Es geht um einen Architekten, der wegen Mordes an seiner Frau zum Tode verurteilt wird. Doch obwohl Scott Henderson (Alan Curtis) unschuldig ist, sagen alle Entlastungszeugen gegen ihn aus, verschwinden oder werden ermordet. Erst die Hartnäckigkeit seiner treuen Sekretärin Kansas (Ella Raines), die ihn heimlich liebt, bringt den wahren Mörder, einen raffinierten Psychopathen hinter der Maske des wohlanständigen Bürgers, zur Strecke.

„Zeuge gesucht“ gilt dank seiner überraschenden Wendungen und Perspektivwechsel sowie einiger äußerst suggestiv entwickelter Sequenzen zu Recht als einer der reizvollsten und psychologisch stimmigsten Film noir.

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