© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die große Zahl von Janusköpfen, die auf Weisung Pius VII. Anfang des 19. Jahrhunderts zusammengetragen wurden und heute in den Vatikanischen Museen zu bewundern sind, wirkt auf den Betrachter nicht ermüdend. Der Gott mit den zwei Gesichtern erscheint in großer Vielfalt: zwei identische oder zwei verschiedene Physiognomien, alt und jung, bärtig und glatt, dunkel und hell, ausnahmsweise sogar männlich und weiblich. Möglicherweise hat die Faszination mit dem Archetypischen der Figur zu tun, denn janusartige Gottheiten gab es in vielen Kulturen, vor allem den afrikanischen, und immer scheint das Moment der Polarität dabei die zentrale Vorstellung gewesen zu sein.

Merkwürdig wirkt der Aplomb, mit dem Frauen ihre Kosmetika nach Gebrauch an ihren Platz zurückwerfen, -klicken, -schieben, -schrauben. Ist das Unzufriedenheit oder Triumph angesichts der erzielten Wirkung?

So wie man über Ausländerkriminalität sprechen kann, wenn Frauenrechte in Frage stehen, darf man die Gefahr der Islamisierung Europas beschwören, falls Homophobie und Antisemitismus ins Spiel kommen.

Janus gehörte zum Grundbestand der römischen Religion. Es gibt keine Parallelen zu griechischen Gottheiten und keinen Hinweis auf eine Übernahme. Insofern ist die Vorstellung von einer Art „Türdämon“ als Ursprung sicher falsch. Daß ianus „Tor“ bedeuten kann und der Gott der Schwelle des Hauses zugehörte, stellt nur einen Aspekt dar. Wichtiger ist der Hinweis, daß Janus der Gott des Anfangs – und mithin des Endes – war, daß die archaischen Kultformen, in denen er zu Beginn des Jahres, also im nach ihm benannten Januar, aber auch am Beginn jedes Monats, den Kalenden, verehrt wurde, spricht für ein hohes Alter. Seinen Rang machte auch der bis in die Zeit der Christianisierung festgehaltene Brauch deutlich, den Kriegsausbruch mit der Öffnung der Türen des Janustempels, den Friedensschluß mit der Schließung festzusetzen. Vielleicht war dieser Tempel ursprünglich nur ein sakrales Tor, durch das das römische Heer auszog und heimkehrte.

Wenn die Persönlichkeit die Institution in einem Fall ist, kommt fast alles darauf an, ihr eine Verfassung zu geben.

Die Bertelsmann-Stiftung hat die Bundestagswahl als „sozial prekär“ bezeichnet und damit gemeint, daß fast nur der gebildete Teil der Bevölkerung und die in Lohn und Brot zur Urne gehen. Dem ist zu entnehmen, daß es den Damen und Herren in Gütersloh lieber wäre, wenn vermehrt die Unterschicht ihre Stimme abgäbe. Man fragt sich ernsthaft, ob aus solchen Erwägungen Dummheit oder Perfidie spricht.

„Was ist der Verlust der Fähigkeit zur Selbsterhaltung anderes als der Beweis für die moralische Krise, die eine menschliche Gesellschaft befällt? Heute kann sich praktisch keine entwickelte Nation selbst erhalten, außer mit Hilfe von Einwanderung. Ohne die Werte, die in das Christentum und die anderen Weltreligionen eingebettet sind, ohne die moralischen Maßstäbe, die über Jahrtausende galten, werden die Völker unvermeidbar ihre menschliche Würde verlieren. Wir betrachten es als natürlich und richtig, diese Werte zu verteidigen. Man muß die Rechte jeder Minderheit auf Differenz respektieren, aber die Rechte der Mehrheit dürfen nicht in Frage gestellt werden.“ (Wladimir Putin)

Bildungsbericht in loser Folge XLVIII: Auffallend ist das dröhnende Schweigen angesichts der Ergebnisse des letzten PISA-Tests. Kein Wort darüber, daß die skandinavischen Musterstaaten weit abgeschlagen sind, kein Wort darüber, daß man sich nun endgültig an den ostasiatischen Drillschulen in Shanghai, Hongkong, Singapur, Japan und Südkorea orientieren muß, wenn man glaubt, daß es die Bildungsorganisation als solche ist und man weiter nach vorn aufschließen will.

Die Vorstellung, daß politische Grundeinstellungen mit dem Lebensalter zusammenhängen, hatte schon immer ihre Schwächen. Jetzt muß man in einer vergreisenden Gesellschaft zur Kenntnis nehmen, daß die best ager, silver surfer und Senioren nicht nur juvenil auftreten, sondern sich auch die ideologischen Albernheiten ihrer frühen Jahre bewahren.

Man könnte in Janus einen typischen deus otiosus sehen, einen „verborgenen Gott“ oder „untätigen Gott“, wie ihn viele Religionen kennen, die sich irgendwann kleineren Göttern zuwandten, während die großen der Frühe in den Hintergrund traten, noch im Ritus überlebten, aber für das Glaubensbewußtsein keine Bedeutung mehr besaßen. Der Reli-gionswissenschaftler Otto Huth meinte jedenfalls, daß Janus ursprünglich nicht die undeutliche Gestalt der historischen Zeit war, sondern von den Römern als Schöpfergott und Vater der patrizischen Geschlechter angesehen wurde.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 17. Januar in der JF-Ausgabe 4/14.

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