© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Lichtstrahlen der Hoffnung
Besuch bei den Christen in Kairo: Mit gelebter Nächstenliebe trotzen die Menschen der Islamisierung
Billy Six

Konfusion ist ein Wort, welches das Empfinden der meisten Ägypter dieser Tage am besten beschreibt. „Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll“, heißt es immer wieder auf der Straße. Für die Gemeinde christlicher Deutscher in Kairo, organisiert in der Ökumene aus Katholiken und Protestanten, ist die Praktizierung von Nächstenliebe um so mehr Pflicht.

„Gott schütze unser geliebtes und geplagtes Ägypten“, spricht Monsignore Joachim Schroedel bei seiner Sonntagspredigt. Im Gespräch beteuert der Geistliche, die Berichte in deutschen Medien über Christenverfolgung seien „übertrieben“. Seiner katholischen Markus-Gemeinde habe man ohne Komplikationen ein Glockenspiel genehmigt. Auch werde das ökumenische Sozialprojekt im Müllviertel Moytamadeia (Giseh) vom Staat wohlwollend begleitet.

Seit 1981 arbeitet ein Hilfsfonds der deutschen Nonne Maria Grabis daran, die Lebensumstände der „Sabbalin“ zu verbessern. Die sogenannten „Müllmenschen“ sind hauptsächlich koptische Christen, deren Vorfahren aus Oberägypten in den Großraum Kairo zogen. Seit den 1920er Jahren organisierten sie die Abfuhr der wachsenden Müllmengen und verfütterten die organischen Abfälle an ihre Schweine. Die Schweinegrippe-Hysterie gab 2009 den Anlaß, den Bestand der ägyptischen Hausschweine beinah restlos zu vernichten.

Im Eiltempo waren die Tiere damals mit Baggern und Lastwagen in die Wüste verfrachtet worden, wo sie qualvoll verendeten. Die Presse sprach seinerzeit von einem Schweinemassaker. Das ägyptische Müllproblem hat sich seitdem dramatisch verschärft – ebenso die soziale Lage der Betroffenen. Vom Standpunkt des Islam allerdings, der Schweine als unrein, gefährlich und bösartig beschreibt, wurde ein Gebot Allahs umgesetzt.

Eine Vor-Ort-Besichtigung: Den in den Himmel wachsenden Gebäuden ist anzusehen, daß es sich hier um ein informelles Siedlungswesen handelt. Seit der Revolution von 2011, so erzählen die Leute, hätten „die korrupten Behörden“ an Autorität eingebüßt – und die illegale Bebauung weiter zugenommen. Die Wege sind Schlammpfade. Mittendrin: die El-Salam-Hauptschule, Herzstück deutscher Entwicklungshilfe. Sie bietet 420 Kindern eine Grundausbildung in einer Umgebung, in der trotz allgemeiner Schulpflicht immer noch die Hälfte der Kinder aus Kostengründen keine Bildung genießt. Direktor Moody setzt auf den Ausbau des Projekts und ist voller Hoffnung, ein Erweiterung des Schulgeländes ab 2014 zu beginnen – mit Kapazitäten für weitere 200 bis 400 Schüler, „so Gott will“.

Immerhin ist das „zarte Pflänzchen“ mitten in der Hoffnungslosigkeit nicht durch die aufsehenerregenden Unruhen des Jahres 2013 in Mitleidenschaft gezogen worden. Islamische Provokateure lebten hier nicht, heißt es. Etwas anderes berichten die katholischen Schwestern vom Ordenshaus der Borromäerinnen im Kairoer Viertel Maadi. „Wir hören die Moslembrüder immer wieder mal laut schreiend in der Nähe marschieren“, so Schwester Petra. Die sieben Nonnen und zwei Anwärterinnen stammen bis auf die deutsche Mutter Oberin und eine Siebenbürgen-Deutsche aus dem oberägyptischen Sohag. Nicht alle Kopten haben an der Kirchenabspaltung im 5. Jahrhundert teilgenommen – neben der großen Mehrheit Orthodoxer hat sich auch ein einheimischer Katholizismus erhalten. Auf der Hundertjahrfeier des Hauses lobt der ständige Vertreter des deutschen Botschafters die Mühen der Ordensfrauen bei der Vorschulausbildung von 120 Mädchen im Alter von drei bis fünf. Sie alle haben mit der anschließenden Weiterbildung in der Deutschen Schule (Kairo/Bab-el-Louk) die Chance, neben perfekten Deutschkenntnissen auch das Bundes-Abitur zu erlangen. Nicht umsonst vollziehen die Schwestern, verbunden mit dem Mutterhaus Kloster Grafschaft/Schmallenberg (NRW), ihre Gottesdienste in deutscher Sprache.

Daß ihre Einrichtung im August nicht dem Mob zum Opfer gefallen ist, sei, so Schwester Petra, vor allem der angeschlossenen Armenklinik zu verdanken, in der täglich bis zu 1.000 Patienten ehrenamtlich behandelt werden. 90 Prozent davon seien Moslems. „Machen Sie weiter, wir schützen Sie“, hätten die Anwohner während des Gewalttrubels gesagt, berichtet die Nonne. „Und sie haben Wort gehalten.“

Ihre Schwester Regina ist weniger optimistisch und verläßt sich lieber auf die neuinstallierten Eisenpforten vor den Eingängen. Als einzige geht sie regelmäßig auf die Straße. Sie registriert einen schleichenden Niedergang ihres Landes. „Früher haben sich die unterschiedlichen Religionsgruppen noch respektiert. Wenn eine Familie im Wohnblock 40 Tage getrauert hat, wäre niemand anderes auf die Idee gekommen, zur gleichen Zeit eine Hochzeit zu feiern. Aber heute denkt jeder nur noch an sich.“

Im Starkregen blicken wir auf die falsch angelegten Abflüsse, um die herum sich das Wasser staut. Etwas weiter qualmt es aus einem aufgerissenen Gehweg – die Stromkabel waren nicht isoliert. Die Polizei hat kein Interesse an dem Fall. „Mafisch Moch“, sagt Schwester Regina, zu deutsch, niemand benutze hier sein Hirn.

Schwester Regina verweist auf die antike Hochkultur Ägyptens – damals, als die Pharaonen, Vorfahren der Kopten, am Nil noch das Sagen gehabt haben und unterstreicht: „Wir hatten seit der Ankunft der moslemischen Araber im 7. Jahrhundert Zeit, uns mit den Zuständen zu arrangieren. Wenn der Islam in Deutschland Fuß gefaßt hat, wird es bei euch vielfach schlimmer aussehen als in unserem geplagten Land“, so die rüstige Schwester.

Foto: Schwester Regina unterrichtet Kinder an der Deutschen Schule der Borromäerinnen in Kairo: „Heute denkt jeder nur noch an sich“

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