© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Rezept für die Zukunft
Bundestag: Vor dem Hintergrund des Streits um die Rechte der Opposition wird bereits an einem rot-rot-grünen Bündnis gebastelt
Lion Edler

Seitdem angesichts der Großen Koalition über die parlamentarischen Rechte der Opposition im Bundestag diskutiert wird, sind von Linken und Grünen plötzlich neue Töne zu hören. Die Demokratie lebe „nicht nur vom Meinungsstreit, sondern muß ihn auch auf Augenhöhe gewährleisten“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Abgeordneten der Linkspartei, der Grünen und linken Sozialdemokraten.

Besonders die Grünen legen sich für hehre demokratische Werte ins Zeug: Es sei im Interesse des Parlaments, „einen lebendigen Austausch in Rede und Gegenrede zu garantieren“, so die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann. Dieser Grundsatz schien noch in der Euro-Krise weniger dringlich gewesen zu sein. Doch nachdem die Partei bei der Bundestagswahl mit einem Ergebnis von 8,4 Prozent dramatisch verlor, geht es für die Grünen nun darum, die Trostpreise zu sichern.

Besonders eine parteiübergreifende Gruppe mit dem Kürzel „r2g“ (zweimal rot, einmal grün) forderte stärkere Oppositionsrechte. Die linksorientierte Runde, besteht aus einem knappen Dutzend von Bundestagsabgeordneten der SPD, der Grünen und der Linkspartei. Sie wollen den Weg zu einem rot-rot-grünen Bündnis spätestens im Jahr 2017 ebnen. Einer möglichen rot-rot-grünen Machtkonstellation müsse ein politischer Prozeß vorausgehen, „der tatsächliche politische Veränderung ermöglicht“.

In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Politiker nun, daß die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen künftig bereits dadurch erzwungen werden kann, daß zwei Oppositionsparteien dies verlangen, „soweit die Oppositionsfraktionen insgesamt nicht ein Viertel der Abgeordneten repräsentieren“. Bislang war dafür eine Unterstützung durch mindestens 25 Prozent der Abgeordneten erforderlich, doch seit der Bundestagswahl kommen die Oppositionsparteien zusammen gerade einmal auf rund 20 Prozent.

Damit ist die Opposition im Parlament so schwach vertreten wie zuletzt zwischen 1966 und 1969, als ebenfalls eine Große Koalition regierte. Auch für Anhörungen in den Bundestagsausschüssen sowie für die Einsetzung von Enquete-Kommissionen, Bundestags- und Ausschußsitzungen soll nach dem Willen des r2g-Aufrufs künftig die Zustimmung von zwei Oppositionsparteien ausreichen.

In der Frage der Redezeit von Abgeordneten zeigte sich die Linkspartei indessen kompromißbereit. Sie stimmte vor Weihnachten einem Vorschlag von Union und SPD zu, wonach Grüne und Linkspartei abweichend von der bisherigen Praxis mehr als 25 Prozent der gesamten Redezeit zugesprochen bekommen, in Ausnahmefällen 32 Prozent. Als „klare Verbesserung“ lobte Linken-Parlamentsgeschäftsführerin Petra Sitte die Vereinbarungen, wodurch sie den Widerspruch von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter provozierte. „In dem Bedürfnis, von Union und SPD als ernstzunehmende Kraft anerkannt zu werden, gehen die Linken viel zu schnell auf die schwachen Angebote der Großen Koalition ein“, sagte Hofreiter der Saarbrücker Zeitung. Die Redezeit müsse nach dem Prinzip der Rede und Gegenrede verteilt werden. Pikant: Hofreiter nahm selbst an früheren Zusammenkünften von r2g teil, war jedoch beim jüngsten Treffen nicht anwesend.

Daß Hofreiter und die Grünen die Stärkung der Oppositionsrechte nicht aus uneigennützigen Gründen verlangen, erscheint banal und liegt auf der Hand. Insofern erstaunt es, daß die Grünen damit durchkommen, sich als Hüter von Demokratie und Minderheitenrechten zu inszenieren. „Grüne pochen auf Minderheiten-Rechte“, titelte etwa die Frankfurter Rundschau. Hofreiter & Co. dürften über solche Titelzeilen erfreut sein.

Und auch von Bundespräsident Joachim Gauck bekommen die Grünen Rückendeckung: Bei der Ernennung der Bundesregierung mahnte Gauck an, eine „handlungsfähige Opposition“ zu ermöglichen. Diese spiele eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Regierung und der Formulierung politischer Alternativen.

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