© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

JF-Serie über historische Bild-Legenden (Teil VII): Hitler in München 1914
Hoffmanns Erzählungen
Hans Becker von Sothen

Hitler in der Menge“ heißt das bekannte Bild, das angeblich den jungen Adolf Hitler am Tage der Kriegserklärung 1914 inmitten einer jubelnden Menschenmasse auf dem Münchner Odeonsplatz zeigt. Der bekannte Hitler-Fotograf Heinrich Hoffmann schildert in seinen Memoiren, wie der Führer der Nationalsozialisten 1930 in seinen Verkaufsräumen auftauchte und „zufällig“ ein Foto mit dem Motiv der Menschenmenge zur Hand nahm. „Unter dieser Menschenmenge stand auch ich!“ soll er erregt ausgerufen haben. Erst nach der Prüfung mehrerer Platten, die am gleichen Ort und am gleichen Tag aufgenommen wurden, sei Hoffmann fündig geworden. Auf der letzten untersuchten Platte sei eindeutig Hitler in der Menge zu identifizieren gewesen. Beide, Hitler und Hoffmann, waren überglücklich.

Doch hat es sich tatsächlich so zugetragen? Oder hatte der clevere Geschäftsmann Hoffmann, der inzwischen ein Quasi-Monopol auf Hitler-Fotografien hatte, eine Aufnahme schlicht manipuliert? Fotohistoriker nahmen Anstoß an der Tatsache, daß zur gleichen Zeit Hitler angeblich noch auf einem anderen frühen Foto einer Menschenmasse aus dem Jahre 1920 zu sehen war. Ein unglaublicher Zufall? Außerdem: Die Form des Barts aus dem Jahr 1914 paßt nicht zu der, die Hitler in jenem Jahr getragen hat. Schließlich: Ein Original, also eine Glasplatte der Aufnahme existiert nicht. Ein eindeutiger Beweis für die Fälschung des Bildes durch Hoffmann existiert bislang nicht. Die Forschung wird sich weiterhin mit dem Foto beschäftigen müssen.

Hans Becker von Sothen: Bild-Legenden. Fotos machen Politik. Fälschungen, Fakes, Manipulationen. Ares Verlag, Graz 2013, gebunden, 272 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro

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