© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Der nationale Luther im Krisenjahr 1921: Theologische Konturen abgeschliffen
Im Dienste der Kirchenpolitik
(wm)

Das 400jährige Reformationsjubiläum, geplant als internationales, gesamtprotestantisches Fest, mußte im Kriegsjahr 1917 auf einen deutschen Rahmen verengt werden und erfuhr nur geringe Aufmerksamkeit. Um so größer war der Nachholbedarf 1921, als es galt, der 400. Wiederkehr von Martin Luthers Auftritt auf dem Reichstag zu Worms am 18. April 1521 zu gedenken. Ungeachtet der politischen Krise und trotz des Umstandes, daß die Jubiläumsstadt Worms im französischen Besatzungsgebiet lag, sollte die Feier zum „eigentlichen Jubeltag des Reformationsgedächtnisses für unsere Generation“ werden. Nicht nur in Worms und Stuttgart, den Feiern, auf die sich der detaillierte Rückblick der Kirchenhistorikerin Dorothea Wendebourg (HU Berlin) konzentriert (Zeitschrift für Theologie und Kirche, 3/2013), ist diese kirchenamtlich beabsichtigte massenwirksame Inszenierung geglückt. Doch wie wohl auch in vier Jahren, so kritisiert Wendebourg, habe damals die aktuelle Kirchenpolitik Luthers Theologie in den Schatten gestellt. Werde 2017 im Zeichen des „neuerdings proklamierten ökumenischen Luther“ stehen, so rückte 1921 „der nationale Luther“ nach vorne, der nach der Niederlage von 1918 die Sehnsucht der Deutschen nach Halt erfüllte. Dem „Verlangen des Volkes“ nach einer idealen Retter-Figur zuliebe seien theologische Konturen des Reformators eingeebnet worden.

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