© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Grüße aus Rom
Einfall der Barbaren
Paola Bernardi

Vorweihnachtszeit in Rom: Nie ist die Stadt schöner. Die Straßen in der Innenstadt glänzen und funkeln um die Wette. Auf der Via Condotti, der eleganten Luxusmeile, wetteifern die silbernen Dekorationen mit dem ausgestellten Schmuck der Juwelierläden.

Selbst über dem Corso, der Hauptverkehrsader, schwingen sich die Lichterketten im bunten Reigen. Je größer die Krise, desto gewaltiger die Lichter-Pracht, scheint in diesem Jahr die Devise. Aus der Tiefe der Straßenschluchten hört man die Schalmeien und Dudelsäcke der Hirten aus den Abruzzen, die nun durch Rom ziehen.

Doch diese Magie wird immer wieder zerstört durch eine neuerliche Protestwelle. In den Bars und Friseurläden gibt es derzeit nur ein Thema: Die „Forconi“ (Mistgabeln), die die Stadt immer wieder lahmlegen.

Mein lang geplanter Weihnachts-Cocktail im Hotel „Plaza“ am Corso muß entfallen. Polizisten stehen Protestlern gegenüber, nichts bewegt sich mehr. Geschäfte lassen am hellichten Tag aus Angst vor Ausschreitungen die Rolläden herunter. Die Straßen zum Weihnachtsmarkt auf der Piazza Navona sind gesperrt. Vor dem nahen Senat und vor dem Parlament ist ein martialisches Heer von Polizisten aufmarschiert. Hubschrauber kreisen.

Es ist ein bunter Haufen von Studenten, Landwirten, Arbeitslosen, Rentnern und Lkw-Fahrern, die nun die italienischen Städte stürmen. Sie alle eint die Wut über die italienische Politik. Linke wie rechte Gruppen haben ihre ideologischen Schranken übersprungen und sich solidarisiert. Not schweißt zusammen. Wie eine Seuche überziehen die „Mistgabeln“ das Land: Nicht nur in Rom, sondern in Turin, Mailand, Venedig, Genua und zahlreichen anderen Städten versammeln sie sich zu Tausenden, um ihre Wut auszudrücken. Sie alle sind nur von einem Gedanken beseelt: das Parlament zu schließen und die Politiker zum Teufel zu jagen. „Wir wollen dieses betrügerische System beseitigen“, so ein junger Demonstrant im militärischen Kampfanzug.

Ihr Protest richtet sich gegen Steuererhöhungen, Banken und Arbeitslosigkeit. Diese sogenannte Bewegung war Anfang 2012 in Sizilien aus dem Widerstand gegen hohe Benzinpreise entstanden. Nach der jüngsten Vertrauensabstimmung im Parlament für Ministerpräsident Enrico Letta planen sie nun einen „Marsch auf Rom“. Und Rom wartet in zynischer Trägheit auf diesen „neuen Einfall der Barbaren“.

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