© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

„Von Syrien aus wurde die Welt evangelisiert“
Der Sprecher des Patriarchen der Syrisch-Orthodoxen Kirche warnt vor dem Untergang der Wiege des Christentums
Moritz Schwarz

Hochwürdigster Herr Erzbischof, fühlen sich die Christen Syriens von denen des Westens verraten, wie Markus Rode klagt?

Kawak: Nun, ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, aber ich glaube, es gibt gar keine Christen mehr in Europa.

Wie kommen Sie darauf?

Kawak: Ich reise viel durch westliche Länder und erlebe, wie laizistisch diese sind. Natürlich habt ihr eine christlich geprägte Kultur, aber eure Menschen praktizieren den Glauben nicht mehr, die Zahl der bekennenden Christen unter euch wird immer geringer und eure Regierungen sind keine christlichen Regierungen mehr. Auch wenn ich kein Europäer bin, als Christ macht es mich traurig. Manche meinen ja, die Christen Europas seien trotz Reichtums und Lebens in Sicherheit schlimmer dran als die des Orients, denn die Christen Europas verlieren ihren Glauben. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich weiß, was Papst Johannes Paul II. gesagt hat: Heute sei es Europa, das reevangelisiert werden müsse!

Irak, Ägypten, nun Syrien, überall sterben und fliehen die Christen in immer dramatischerem Ausmaß. Bekümmert Sie das nicht mehr als die Glaubenskrise in Europa?

Kawak: Doch, es zerreißt mir das Herz. Denn bevor der Islam kam, war Syrien ein christliches Land. Antiochien, die alte Hauptstadt Syriens, ist eine der beiden Perlen in der Krone des Christentums. Von hier aus brachen die Apostel Petrus und Paulus auf, um das Christentum in die Welt zu bringen. Von Antiochien, von Syrien, nicht von Jerusalem und Palästina aus wurde die Welt evangelisiert!

Wie könnte der Untergang dieser 2.000jährigen christlichen Kultur verhindert werden?

Kawak: Ich sehe keine Lösung der christlichen Frage in Syrien außerhalb einer Lösung der syrischen Frage. Wir sind ein Teil des syrischen Volkes, wir haben in Anmut und Harmonie mit unseren muslimischen Nachbarn gelebt, und nur mit ihnen kann es eine Zukunft geben. Ich kann euch Europäer nur bitten, alles zu tun, um diesen schrecklichen Krieg für das ganze syrische Volk zu beenden, bevor er unser schönes Land, diese Schatzkammer der Urchristenheit zerstört.

 

Dionysius Jean Kawak, ist Metropolit und Direktor des Büros des Patriarchen der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien, der größten christlichen Kirche Syriens. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien geht auf das altkirchliche Patriarchat von Antiochien zurück, die nach der Urgemeinde in Jerusalem älteste christliche Kirche überhaupt. Erzbischof Kawak wurde 1966 in Damaskus geboren.

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