© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Debatte um Laizismus und Integration in Frankreich
Pariser Lebenslüge
Karlheinz Weißmann

Irgendwelche Fachleute haben dem sozialistischen französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault empfohlen, sich endgültig vom Prinzip der Integration zu verabschieden, das Schleiertragen in der Schule zuzulassen, Arabisch als Pflichtfremdsprache zu installieren, die Herkunftsidentität von Menschen mit Migrationserfahrung zu stärken und sich der „arabisch-orientalischen Dimension“ der französischen Nation zu öffnen.

Die Empörung nicht nur auf der Rechten, sondern auch in der bürgerlichen Mitte ist groß, selbst in der sozialistischen Regierungspartei rumort es. Man fragt sich nur: Warum? Denn nichts von diesen Vorschlägen ist wirklich neu. Auf die Idee mit dem Arabischen war schon Frédéric Mitterrand, der Kulturminister Sarkozys, gekommen, die Säuberung des französischen Geschichtsunterrichts von allen patriotischen Elementen ist längst Tatsache, genauso wie der Kult um die angeblichen Beiträge der Zuwanderer zum französischen Erbe.

Vielleicht erklärt sich die allgemeine Unruhe daraus, daß vor aller Augen das „republikanische“ Ideal als Lebenslüge entlarvt wird. Denn jetzt muß auch dem letzten klar sein, daß eine konkrete historische, kulturelle, religiöse Identität nicht durch ein Surrogat aus Abstraktheiten und Werten ersetzt werden kann, und daß der, der diese Tatsache bestreitet, entweder ein Narr oder ein Lügner oder beides ist.

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