© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/13 / 13. Dezember 2013

Alliierte der britischen Krone
Ausstellung: „Auf den Spuren der Irokesen“ im Berliner Martin-Gropius-Bau
Karlheinz Weissmann

Wenn jemand noch etwas mit der Bezeichnung „Irokesen“ anfangen kann, dann entweder, weil er zu der schwindenden Zahl der Leser James Fenimore Coopers gehört, oder weil er gewisse exzentrische Ideen über den Ursprung des amerikanischen Verfassungssystems hat. Was Cooper angeht, so erscheinen die Irokesen in seinen „Lederstrumpf“-Erzählungen als indianischer Gegentypus zu den Mohikanern, den „edlen Wilden“ Nordamerikas, ein kriegerisches, aber „diebisches Geschlecht“, gegen das Chingachgook Heldentaten vollbrachte.

Was die exzentrischen Ideen angeht, so sind sie zwar erst mit Hippie-Bewegung, New Age und Verehrung der Dritten Welt allgemeiner bekannt geworden, wurzeln aber schon in Außenseitertheorien des 19. Jahrhunderts, die behaupteten, daß die Staatsordnung der USA ihr Vorbild im Aufbau der Irokesen-Föderation der „sechs Nationen“ mit ihrer Bundesversammlung hatte.

Dieser Stämmebund der Cayuga, Mohawk, Oneida, Onondaga, Seneca und Tuscarora besiedelte bei Ankunft der Weißen ein großes Gebiet südlich und südöstlich des Ontariosees. Seine militärische Stärke, seine geschickte Diplomatie, sein für indianische Verhältnisse stabiler und sorgfältig gestufter Aufbau machten ihn zu einer eigenständigen Macht, die es verstand, die Europäer lange Zeit auf Distanz zu halten und fallweise gegeneinander auszuspielen.

Tatsächlich erwies sich die Option der Irokesen zugunsten der Briten als richtig, nachdem zuerst Niederländer und Schweden, später auch die Franzosen das Feld räumen mußten. Dann führte aber der unerwartete Sieg der Neuenglandkolonien in ihrem Unabhängigkeitskrieg zu einem dramatischen Umschlag. Die Irokesen erholten sich von der Niederlage nie wieder, die sie als Alliierte der britischen Krone erlitten. Tatsächlich hatte die indianische Föderation bei Gründung der USA aber den Höhepunkt ihrer Bedeutung längst überschritten, was eine Modellfunktion für den neuen Staat schon aus diesem Grund unwahrscheinlich macht.

Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen haftete dem Bund der Irokesen immer etwas von einem Utopia an, diente er Theoretikern wie Lewis Morgan als Anhaltspunkt für die „Urgesellschaft“, oder Suffragetten als Argumentationshilfe, die auf das Mutterrecht in den Clans der Stämme abhoben. Etwas davon ist auch in der Berliner Ausstellung über die Irokesen zu bemerken, deren Verantwortliche nicht einfach auf eine ethnologisch interessante Größe Bezug nehmen, sondern auch auf eine Gemeinschaft, deren Egalität man als musterhaft verstanden wissen will.

Natürlich haben die Macher alle politisch-korrekten Sprachregeln eingehalten, ist die Rede nur von „Indigenen“, selten von „Stämmen“, stehen die Irokesen nicht anderen Völkern oder gar Rassen gegenüber, sondern als „Minderheit“ einer „Mehrheitsgesellschaft“. Aber das alles muß den Besucher nicht übermäßig stören. Denn die schon in der Bonner Bundeskunsthalle und nun im Gropius-Bau präsentierte Ausstellung bietet eine beeindruckende Zusammenstellung von Exponaten, die an eine Kultur erinnern, die sich mit der Mischung aus Landwirtschaft und Jagd, großen, sogar befestigten Siedlungen, einem bemerkenwert effektiven religiösen und Bildungssystem und der Fähigkeit zur raschen Adaption fremder technischer Errungenschaften in vieler Hinsicht kaum von den zeitgleich existierenden europäischen unterschied.

Das gilt allerdings auch in bezug auf den kriegerischen Charakter der Irokesen, den die Schau eher kaschiert als hervorhebt, obwohl der Ursprung der Föderation im gewaltsamen Zusammenschluß der Stämme lag, die zuletzt hinzugekommenen Tuscarora von der Mitbestimmung ausgeschlossen blieben, das Erbeuten von Feinden zum Zweck der Versklavung oder der Marterung hohes Prestige einbrachte, und überhaupt die Krise der Irokesen nach dem Zerfall beziehungsweise der Zerstörung ihrer Föderation eine Haupt-ursache darin hatte, daß es für die Männer keine Möglichkeit der Auszeichnung im Kampf mehr gab.

Das änderte sich im Grunde erst mit der Industrialisierung, als die Irokesen wie andere Indianer als gesuchte, weil schwindelfreie, Gerüstbauer mithalfen, die gigantischen Stahlkonstruktionen in großer Höhe zu errichten, und weil sie als Freiwillige (bis zum Ersten Weltkrieg) wie als Wehrpflichtige (seit dem Zweiten Weltkrieg, infolge der Einbürgerung aller Indianer durch die USA 1924) in der amerikanischen Armee dienten.

Zu den eindrucksvollen Stücken der Ausstellung gehört insofern ein Bild zweier Irokesen als Soldaten eines Fallschirmjägerregiments, die sich gegenseitig Kriegsbemalung anlegen und deutlich an ihrem „Irokesenschnitt“ erkennbar sind. Die Tatsache, daß diese Haartracht später von anderen, auch und gerade weißen, Soldaten der US-Streitkräfte nachgeahmt wurde, versöhnt sicher nicht mit dem bitteren Schicksal dieses und anderer indianischer Völker, zeigt aber doch etwas von der wohltuenden Ironie der Geschichte.

Die Ausstellung„Auf den Spuren der Irokesen“ ist bis zum 6. Januar 2014 im Berliner Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, täglich außer dienstags 10 bis 19 Uhr zu sehen. Der Katalog kostet 32 Euro. Telefon: 030 / 2 54 86 - 0

www.berlinerfestspiele.de

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