© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Dorn im Auge
Christian Dorn

Mulmig ist mir bereits vor Vorstellungsbeginn, als ich im Ballhaus Ost, einem Off-Theater im Prenzlauer Berg, Platz nehme. Beklemmung löst schon der Titel der Revue aus, „Brauner Zucker“, und mir schwant nichts Gutes. So beginnt das Stück mit dem provokant-spielerischen Vers: „Keiner weiß, was er ist, ob Nazi oder Kommunist“. Dieses Diktum beschreibt gleich die „rechte“ Ausgangssituation, von der aus das linksliberale Publikum zum Objekt eines politisch-korrekten Exzorzismus-Projektes gemacht wird.

Die vermeintliche Äquivalenz dieses Verses ist nur vorgetäuscht. Tatsächlich geht es in der Inszenierung von Anne Schneider (Regie) und Sophie Nikolitsch (Dramaturgie) um die sagenumwobene „Neue Rechte“, die dem Neuen Menschen der multikulturell gesegneten Gesellschaft noch im Weg steht. Explizit wird dies aber erst am Ende des Stückes, als den Besuchern am Ausgang als „Programmheft“ ein metapolitischer Schwachsinn aus linken und „antifaschistischen“ Quellen in die Hand gedrückt wird. Hier werden etwa Joseph Beuys und die JUNGE FREIHEIT in einem Atemzug genannt. Anders als in diesem Agitprop-Stück, das zur Hälfte aus Deklamationen mit ironischem Unterton bestand, lädt erst dieses Pamphlet zum Lachen ein – wenn es nicht so traurig wäre.

Jeder Publikumslacher – so bei der Klage über die Theaterengagements, die man nur bekomme, wenn man einen Migrationshintergrund hat – soll den Besucher mit seinem inneren Rassismus konfrontieren und ihn vor sich selbst erschrecken lassen. Die wippenden Fußsohlen, die zum Song „Es ist, was es ist“ (MIA) „neues deutsches Land“ betreten, sollen die Besucher auf ihren unverarbeiteten Nationalismus stoßen und damit den Körper disziplinieren.

Obgleich die Revue Burka-Trägerinnen mit Nonnen auf eine Stufe stellt, da Religion ein Rückschritt sei, ist das „zivilgesellschaftliche“ Grundprinzip dieser Theatermacher ja in Wirklichkeit zutiefst katholisch, setzt es doch auf die sündige Natur in uns. Stalin würde von solchen Formen der induzierten Selbstanklage, inszeniert von selbsternannten Ingenieuren der menschlichen Seele, sicher angetan sein.

Am Ende dieser Vorstellung hatte ich noch – mehr für das Handwerk der Schauspieler als für ihr ironisches, unernstes Spiel – geklatscht. Mein Frust ist danach so zivilisiert, daß sich mein Rache-gedanke darauf beschränkt, den Heroinen dieses Stückes lediglich die Absätze ihrer High-Heels abzusägen.

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