© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Die Experimente des Herrn von Tschirnhaus
Mechanische Wunderwerke: Der Mathematisch-Physikalische Salon im Dresdner Zwinger hat wieder geöffnet
Paul Leonhard

Brennt Asbest? Vor 300 Jahren galt dieses Material als unbrennbar, und so dürfte der sächsische Hofstaat bei dieser Frage den Kopf geschüttelt haben, um sich neugierig um Ehrenfried Wal-ther von Tschirnhaus (1651–1708) zu versammeln. Der ließ einen besonderen Brennspiegel auffahren, die Kupferfläche wie eine Hohlkugel gewölbt. Der niederschlesische Universalgelehrte kippte das Instrument zur Sonne und konnte so unter optimalen Bedingungen Temperaturen bis zu 1.500 Grad Celsius im kleinen Brennraum erzielen. Ausreichend, um ein Loch in eine Metallplatte zu brennen oder Asbest zum Schmelzen zu bringen. Die Schmelzexperimente trugen wesentlich zur Entdeckung der Rezeptur für das berühmte Meißner Porzellan, des ersten europäischen Hartporzellans, bei und damit zum Reichtum Sachsens.

Der 1685 hergestellte große Brennspiegel sowie zahlreiche kleinere sind seit diesem Jahr wieder im Mathematisch-Physikalischen Salon im Dresdner Zwinger zu bewundern. Daneben sind erlesene Globen, Uhren, Automaten, Fernrohre und andere wissenschaftliche Instrumente ausgestellt, die nicht nur durch ihre Funktion, sondern auch durch ihre Schönheit begeistern.

Die Sammlung geht auf die Leidenschaft August von Sachsens (1526–1586) für mathematische Instrumente und mechanische Wunderwerke zurück, der damit ein typisches Kind seiner Zeit war. Der Kurfürst vermaß persönlich sein Territorium per Wagenwegmesser, versuchte zu verstehen, warum Planeten ihre Bahnen ziehen, wie man das mit einer Uhr darstellen kann und wie überhaupt all diese komplizierte Mechanik funktioniert.

Besonderen Wert legte der Wettiner auf exakte Instrumente und Methoden der Vermessung: Nur mit Hilfe einer entwickelten Bergbau- und Vermessungstechnik konnten die großen Silbervorkommen im Erzgebirge gehoben werden. Diese wiederum stellten die Basis für den Reichtum und die Macht Sachsens dar. Daran erinnert ein vergoldeter Kompaß mit kursächsischem Wappen. Genauso wichtig waren Geschützaufsätze. Mit diesen konnte die Zielgenauigkeit der Kanonen verbessert werden. Die sächsischen Instrumentenbauer verfügten um 1600 über großes artilleristisches Wissen.

August der Starke war es, der 1728 die mathematischen Instrumente im Zwinger unterbringen ließ, als er die Kunstkammer im Residenzschloß neu ordnete. Ein Wissenschaftspalast entstand, in dem auch die Sammlungen an Tierpräparaten, Mineralen, Kupferstichen sowie die Bibliothek konzentriert wurden. Auf Dauer blieb aber nur das mathematisch-physikalische Kabinett, so daß dieses das älteste Museum im Zwinger ist.

Diese spannenden Geschichten und viele andere erzählt die neue Dauerausstellung im Mathematisch-Physikalischen Salon, der nach sechsjähriger Umbau- und Restaurierungszeit wieder geöffnet ist. 17 Millionen Euro kostete die Sanierung. Ein Neubau wurde in den Zwingerwall getrieben, die Fläche auf 1.100 Quadratmeter fast verdoppelt.

Die Schau wurde in vier Kapitel geordnet: Unter dem Titel „Der Kosmos des Fürsten“ sind die mechanischen Wunderwerke und mathematischen Instrumente um 1600 zu sehen, das „Universum der Globen“ zeigt Erd- und Himmelsmodelle aus sieben Jahrhunderten. Über das Physikalische Kabinett, das Observatorium und die Behörde im 18. Jahrhundert informiert das Kapitel „Instrumente der Aufklärung“, über Uhren und Automaten seit der Renaissance das Kapitel „Der Lauf der Zeit“. Und der „Salon im Salon“ beherbergt unter anderem die älteste Rechenmaschine Deutschlands, die „Pascaline“. Gebaut wurde sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts von dem französischen Mathematiker und Physiker Blaise Pascal.

Kontakt: Mathematisch-Physikalischer Salon im Dresdner Zwinger. Geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Telefon: 03 51 / 49 14 66 61

www.skd.museum/

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