© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Ein abweichender Ton im Meinungskonzert
Publizistik: Die rechtsintellektuelle Zeitschrift „Éléments“ feiert ihr vierzigjähriges Bestehen
Karlheinz Weissmann

Auch Zeitschriften haben ein Leben. Sie werden geboren, sie blühen auf – wenn alles gut läuft – und irgendwann gehen sie ein. Die Lebensfrist ist unterschiedlich, meist sehr kurz, manchmal ein paar Dutzend Ausgaben lang, selten Jahre oder Jahrzehnte dauernd. Die französische Zeitschrift Eléments ist so eine Seltenheit: sie kann ihr vierzigjähriges Bestehen feiern, und das, obwohl im Hintergrund keine mächtige Organisation und kein potentes Verlagshaus stehen.

Die Jubiläumsnummer 149 erscheint in professionellem, buntem Layout. Nichts auf dem Umschlag signalisiert die politische Tendenz. Das ändert sich allerdings im Innenteil, der eine Art Querschnitt aus vier Jahrzehnten Eléments bietet, Stücke von Interviews, die man mit Prominenten geführt hat (Jean Anouilh, Leni Riefenstahl, Mircea Eliade, Jacques Vergès), von Aufsätzen zu wenig beachteten oder zu zentralen intellektuellen Debatten und Fragmenten ideologischer Schlüsseltexte, selbst dann, wenn sie von mittlerweile Abtrünnigen stammen (Guillaume Faye über das Abendland).

An dieser Zusammenstellung wird auch etwas von dem Wandlungsprozeß deutlich, den die Zeitschrift durchlaufen hat. Sie entstand als zweites Organ jener Gruppe französischer Intellektueller, die sich 1969 im GRECE – dem Groupement de Recherche et d‘Etudes pour la Civilisation Européenne – gesammelt hatte. Der GRECE bildete den Kern der später so genannten „Nouvelle Droite“ – „Neuen Rechten“, verfügte anfangs aber nur über die auf wissenschaftliche Abhandlungen und weltanschauliche Grundfragen spezialisierte Nouvelle Ecole, die nach eher provisorischen Anfängen sehr aufwendig produziert wurde.

Vom Umfang und vom Anspruch her war Nouvelle Ecole ungeeignet, ein breiteres Publikum anzusprechen. Deshalb entschied Alain de Benoist, der Kopf des GRECE, eine weitere Publikation ins Leben zu rufen, genauer: ein ursprünglich nur für den internen Gebrauch gedachtes Mitteilungsblatt zur Basis für eine zweite Zeitschrift zu machen. Eléments trug seither den Untertitel „pour la civilisation européenne“ – „für die europäische Zivilisation“ (nur bei den Nummern 71 bis 78 zog man „für die europäische Kultur“ vor), erschien im Idealfall im Dreimonatstakt und sollte unmittelbar auf das metapolitische Geschehen einwirken.

Wie man den frühen Nummern von Eléments anmerkt, ging es allerdings auch um die ideologische Geschlossenheit der „neuen Schule“, was mit einer bestimmten Vorstellung von „Kulturkampf“ zu tun hatte, dem die Zeitschriften und Bücher des GRECE als Waffen dienen sollten. Mit letzter Klarheit trat diese Tatsache hervor, als Eléments unter dem Eindruck der öffentlichen Debatte über den Einfluß von Benoist und seiner Freunde in den Jahren 1981 bis 1985 mit dem Zusatz „Die Zeitschrift der Neuen Rechten“ erschien. Der Ton war trotzdem immer sachlich und informativ, aber die Folgerungen pointiert, oft gezielt gegen die heiligen Kühe der „Alten Rechten“ gerichtet.

An der Stoßrichtung hat sich im Prinzip bis heute nichts geändert. Obwohl Benoist als führender Kopf von Eléments – er schreibt die umfangreichen Dossiers, die meisten Besprechungen und unter dem Pseudonym Robert de Herte das Editorial – nicht nur seine weltanschaulichen Präferenzen geändert, sondern auch die Publizistik im Umfeld des GRECE reorganisiert hat. Das wird besonders deutlich am relativen Zurücktreten von Nouvelle Ecole und der Neugründung einer dritten Zeitschrift unter dem Titel Krisis im Jahr 1988.

Krisis ist ausdrücklich als Diskussionsforum angelegt, auf dem Repräsentanten ganz verschiedener religiöser und politischer Positionen zu Wort kommen. Der Titel erklärt sich aus einer Deutung der Gegenwart als Übergangszeit, in der die Grundlagen des Neuen neu geklärt werden müssen, ohne daß schon sicher zu sagen wäre, was Bestand haben kann, was nicht.

Parallel zu dieser Zeitdiagnose entwickelte sich für Eléments der heutige, eher magazinartige Charakter, der sehr stark auf Literatur und Kunst ausgerichtet ist. „Neurechts“ im ursprünglichen Sinn ist Eléments jedenfalls nur noch mit Abstrichen zu nennen, eher müßte man die Publikation als nonkonformistisch bezeichnen, sicher antiamerikanisch, antiegalitär und antiliberal wie in der Vergangenheit, aber jetzt stärker bestimmt von kapitalismus- und modernitätskritischen Tendenzen.

Die heutige Auflage von Eléments liegt bei fünf- bis sechstausend Exemplaren. Das ist genauso bemerkenswert wie die Tatsache, daß man die aktuelle Nummer in jedem besser sortierten französischen Zeitschriftenangebot finden kann. Ein Erfolg, der offenbar nicht zu kopieren ist, auch wenn es Versuche gegeben hat, entsprechende Zeitschriften mit entsprechendem Titel für den italienischen, spanischen, deutschen und sogar russischen Markt zu produzieren. Keiner dieser Anläufe hatte Erfolg.

Das erklärt sich natürlich aus der zentralen Rolle, die Benoist für das ganze Projekt spielt, aber auch aus der geschickten Verknüpfung elitärer und populärer, eigener und verwandter Projekte, so daß Eléments als Knotenpunkt in einem ganzen Geflecht aus Zeitschriften angesprochen werden kann, das von Nouvelle Ecole bis zu einer Illustrierten wie Le Spectacle du Monde reicht, und dazu führt, daß hier zwar kein dominanter, aber doch deutlich abweichender Ton im Konzert der öffentlichen Meinung zu hören ist.

„Éléments“, erste Ausgabe von 1973 und Jubiläumsheft

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