© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Ein Ende mit Schrecken
Großbanken: JP Morgan kauft sich mit einer historischen Höchststrafe von den Sünden der Finanzkrise frei / Muß die Deutsche Bank ebenfalls zahlen?
Georg Bernhard

JP Morgan Chase ist seit dem Niedergang der Citigroup die größte Universalbank der USA. Hervorgegangen aus der Fusion der Investmentbank J.P. Morgan und der Chase Manhattan Bank wurden 2004 die Chicagoer Bank One und 2008 die gestrauchelten Konkurrenten Bear Stearns und Washington Mutual geschluckt. JP Morgan Chase ist daher ähnlich „systemrelevant“ wie die Deutsche Bank für Deutschland.

Nur der politische Einfluß scheint nicht ganz so groß zu sein: Vorige Woche gab der US-Bankkonzern bekannt, daß er 13 Milliarden Dollar zahlen muß. Das ist die höchste Strafe, die ein US-Unternehmen jemals bezahlt hat und mehr als die Hälfte des Nachsteuergewinns der JP-Morgan-Gruppe für das Jahr 2012. Zum Vergleich: Als der Öltanker Exxon Valdez 1989 vor der Küste Alaskas auf Grund lief und die bis dahin größte ökologische Katastrophe in der Geschichte Amerikas anrichtete, wurde der Konzern aus Texas als Verursacher zu einer Strafe von 4,5 Milliarden Dollar plus Zinsen verurteilt, die später auf 2,5 Milliarden reduziert wurde.

Aber was hat JP Morgan eigentlich verbrochen, das eine derartige Schadenssumme rechtfertigte? Und was geschieht mit der ungeheuren Summe nun genau? Versickern die Milliarden in irgendwelchen Washingtoner Regierungskanälen, oder werden sie als Entschädigungszahlungen an tatsächlich Geschädigte verteilt? Und schließlich: Wenn schon eine dermaßen hohe Strafe fällig wird, warum war diese dann nicht das Resultat einer Verurteilung vor einem Strafgericht, sondern das zivilrechtliche Ergebnis monatelanger Verhandlungen zwischen Bank und Justizministerium? Wurde vielleicht – trotz der enormen Strafe – in Wahrheit doch gemauschelt?

Zumindest einige Fragen lassen sich inzwischen beantworten. Es geht um Geschäfte zwischen 2006 und 2008, als die Bank etwa 3.400 Hypotheken mit extrem schlechten Schuldnern in sogenannte Forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset-backed security/ABS) hineingeschmuggelt, das Ganze mit Bestnoten von Ratingagenturen überkleistert und dann so tut, als würden diese anrüchigen Papiere wenigstens niedere Investmentgrade erfüllen, obwohl nicht einmal das der Fall war. Diese Investmentvehikel – außen hui, innen pfui – wurden dann in den wilden Jahren vor der Finanzkrise als gute Geldanlagen weltweit verkauft.

Die ABS wurden auch in Deutschland propagiert. In der Amtszeit von Finanzminister Hans Eichel (SPD) wurden zunächst Gewerbe- und Umsatzsteuerrecht sowie das Kreditwesengesetz passend umformuliert. Unter Peer Steinbrück sollten dann alle Dämme brechen: Der damalige Ministerialdirektor und heutige EZB-Direktor Jörg Asmussen empfahl 2006 die „Verbriefung von Assetklassen jenseits von Bankforderungen aus Deutschland heraus zu ermöglichen“ und die Investition in ABS sogar für Versicherungen und Sozialversicherungsträger „zu erleichtern“. Die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung blieb zwar von ABS verschont, doch viele Banken engagierten sich im Handel mit diesen „neuen Kapitalmarktprodukten“ (Asmussen), weshalb es schon ein bißchen erstaunt, daß ausgerechnet JP Morgan für diese Finanzdienstleistung solchermaßen zur Kasse gebeten wird. Das Wall Street Journal befand, daß es JP Morgan nicht um seine individuellen Missetaten geht, sondern darum, sich mit diesem Schritt ein für allemal von der eigenen Vergangenheit freizukaufen.

Vier Milliarden Dollar sollen an ehemalige Hauseigentümer aus New York und Detroit gehen, denen vor der Finanzkrise scheinbar günstige Hypotheken aufgeschwatzt wurden, die sie aber bald nicht mehr bedienen konnten, weshalb die Banken irgendwann gegen sie vollstreckt haben. Ob das viel bringt, darf bezweifelt werden, weil die ganze Summe nur einen Tropfen auf den heißen Stein darstellt und die ehemaligen Kreditnehmer ihre Häuser längst los sind. Der Löwenanteil von sieben Milliarden Dollar geht an Bundesbehörden und die Generalstaatsanwälte derjenigen Bundesstaaten, die mit der Strafverfolgung in der Sache JP Morgan zu tun hatten.

Daß trotz privater Beziehungen unter den Beteiligten in großem Stil gemauschelt wurde, ist unwahrscheinlich: Das Bankhaus bot erst eine, dann drei Milliarden Dollar an, drohte einige Male damit, den ganzen Deal platzen zu lassen. Das US-Justizministerium forderte von vornherein eine Strafe in historischer Höhe, um zu zeigen, daß auch die größte Bank Amerikas nicht über dem Gesetz steht. Das immerhin scheint gelungen zu sein. Die Deutsche Bank hat indes schon vorsorglich Milliarden-Rückstellungen gebildet – allerdings nicht für mögliche Prozesse in Deutschland, sondern drohende Strafen in den USA.

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