© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Sumpf der Gleichmacherei
Frauenpolitik: Dutzende Gender-Agenturen beackern das Feld der „wirklichen“ Gleichstellung – und haben Erfolg damit
Marc Zöllner

Kurz vor der Bundestagwahl rührten die SPD-Politikerinnen Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Hannelore Kraft noch einmal kräftig die feministische Werbetrommel. „Deutschland braucht einen Wechsel – vier Jahre frauenpolitischer Stillstand sind genug!“ hieß das Motto der Arbeitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern und der Ministerpräsidentinnen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Gefordert, so die Politikerinnen, sei eine moderne, rot-grüne Frauenpolitik. Als Stichworte forderten sie die Besserstellung von Frauen im Berufsleben, die Beendigung der Lohnbenachteiligung, die verbindliche Einführung einer 40-Prozent-Geschlechterquote für Aufsichtsräte und Vorstände börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen sowie eine Gesellschaft „frei von Sexismus, Gewalt und Bevormundung“.

Bis in Deutschland eine „wirkliche Gleichstellung“ erreicht sei, gebe es aber „noch viel zu tun“. Viel getan wurde auch schon in den vergangenen Jahren. Es etablierte sich in und außerhalb der Politik nicht nur ein schlagkräftiges Gleichstellungsnetzwerk – auch die Gender-Arbeit ist längst in die Jahre gekommen. So feiert diese Woche das Braunschweiger Zentrum für Gender Studies in der Aula der Technischen Universität sein zehnjähriges Jubiläum. Anschließend trifft sich unter dem Motto „Zurück in die Zukunft“, was in der Genderforschung Rang und Namen hat.

Noch immer werden die sogenannten Gender Studies lediglich als Randerscheinung der Forschung wahrgenommen. Auf Kongressen wie jenem in Braunschweig verläuft sich bislang nur, wer das kostenlose Buffet erkunden oder unter seinesgleichen netzwerken möchte. Besser gesagt: unter ihresgleichen. Denn alles dreht sich in diesen Netzwerken um das weibliche Geschlecht und seine, so die schon aus den siebziger Jahren stammende Theorie, bloße soziale Konstruktion im modernen Arbeits- und Produktionsleben. Sprich: Die Frau ist eine Frau, weil der Mann sie zur Frau bestimmt. Die tradierten weiblichen Verhaltensmuster, welche der Mann der Frau andichtet, zwingen sie in von Frauen beherrschte Berufsgruppen, um dem Mann weibliche Konkurrenz in typisch männlichen Domänen zu ersparen.

Auch das Braunschweiger Zentrum verweist in seiner Vorlesungsreihe auf dieses rollenspezialisierte Ungleichgewicht der Geschlechter. Mit Veranstaltungen zur „Attraktivitätssteigerung des berufsbegleitenden Ingenieursstudiums“ sowie „E-Learning und Gender“ möchte man versuchen, die Gräben der Sozialbiologie zu überwinden. Schnell wird klar, wohin der Zug wirklich fährt: zum Gefecht mit dem die Gesellschaft beherrschenden Patriarchat, der Männerwelt, dem Chauvinismus; sowieso mit allem, was irgendwie maskulin wirkt. Und das läßt sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nicht nur bei der Finanzierung von Vorträgen wie „Die Onkelz gegen den Rest der Welt – Repräsentation von Männlichkeit im Deutsch Rock“ oder auch „Männer und ihre Bärte. Geschichte der politischen Partizipation in der griechischen Antike“ gehörig was kosten.

„Die Genderförderung ist ein derartiger Sumpf, daß es kaum jemanden geben dürfte, der einen Überblick über die tatsächlichen Summen hat, die dafür verschwendet werden“, erklären Heike Diefenbach und Michael Klein gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Die Sozialwissenschaftler arbeiten für den renommierten Blog sciencefiles.org, der sich mit Fragen der Frauenprivilegierung im Bildungssystem beschäftigt.

„Die entsprechenden Fördertöpfe sind über den Bundeshaushalt verstreut, und auch die EU betreibt ihre eigenen Gendernetzwerke.“ Allein seit Bestehen des deutschen Professorinnenprogramms wurden so seit 2007 über 150 Millionen Euro investiert, um neue Lehrstühle für Akademikerinnen ins Leben zu rufen beziehungsweise bereits vorhandene für weibliche Nachwuchstalente zu sichern.

Vorgriffsprofessur nennt sich das Verfahren, in welchem bereits zu Amtszeiten die Nachfolge eines demnächst aus dem wissenschaftlichen Dienst ausscheidenden Professors bestimmt und für eine konkrete Person reserviert wird. Für einen einzelnen Posten an einer Hochschule zahlt der Steuerzahler demzufolge gleich doppelt. Daß hierbei massiv Gelder an prinzipiell knapp bei Kasse befindliche Universitäten vergeudet werden, die andernorts besseren Einsatz fänden, bemängeln die Kritiker dieser Handhabe schon länger. Daß mit dem geschlechterorientierten Förderprogramm des BMBF männlichen Bewerbern trotz gleicher Qualifikation prinzipiell schlechtere bis überhaupt keine Chancen eingeräumt werden, kommt erschwerend hinzu.

„Staatsfeminismus“ nennen die beiden vom Wissenschaftsblog die fiskalen Maßnahmen des Bildungsministeriums und kritisieren insbesondere deren zugrundeliegende ideologische Wurzeln. „Die Parallelen zur DDR sind auffällig“, berichten Diefenbach und Klein. „Auch dort gab es keine formale Höherbildung ohne das deklarierte Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus.“ Analog zur Indoktrination des real existierenden Sozialismus würde heutzutage von den Männern als neue, die Produktionsmittel besitzende Bourgeoisie gesprochen und von den Frauen, die als modernes Proletariat im Klassenkampf gegen das andere Geschlecht an die Macht aufzubegehren hätten.

Freilich lassen sich solche Theorien im wissenschaftlichen Diskurs nur schwer aufrechterhalten. So bescheinigte die im Oktober erschienene „Genderstudie 2013“ des Weltwirtschaftsforums WEF den Deutschen einen guten 14. Platz unter den 136 verglichenen Staaten. In kaum einem anderen Land, so die Studie, besäßen Frauen eine höhere Gleichstellung im wirtschaftlichen Sektor sowie in der politischen Mitsprache.

Wenn es um finanzielle Interessen geht, wird selbst an deutschen Unis die Wissenschaft auf ihre zweite Geige verwiesen. „Es gibt in Deutschland derzeit unseres Wissens nach keinen einzigen Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie mehr an sozialwissenschaftlichen Fakultäten“, bedauern Diefenbach und Klein. „Es gab sie einmal, aber sie wurden just zu dem Zeitpunkt abgebaut, zu dem Gelder für Gender-Infrastruktur zur Verfügung gestellt wurden.“ Für Infrastruktur, das bedeutet auch Rhetorik-Kurse nur für Frauen, Wellness-Days nur für Frauen. Dieses Geld ist dann natürlich nicht mehr verfügbar für Stellen, Einrichtungen oder Aktivitäten, die tatsächlich wissenschaftsbezogene Inhalte haben.

Damit nicht genug: Nach dem spürbaren Erfolg seines 150 Millionen Euro teuren Genderprogramms hat das BMBF im Jahre 2012 weitere 150 Millionen Euro zur Förderung rein weiblicher Professuren zugesichert. Widerstand gegen diese Maßnahmen war a priori nicht zu erwarten. „Mit jedem Genderlehrstuhl und jeder an ihn angebundenen Stelle wächst das Netzwerk derer, die ihre Gender-‘Forschung’ gegenseitig positiv begutachten“, so die beiden Sozialwissenschaftler gegenüber der JF.

Ob Greifswald, Braunschweig, Marburg oder München – kaum eine Universität in Deutschland kommt ohne ihr eigenes interdisziplinäres Genderzentrum aus. Wie kostspielig die Vernetzung weiblicher Akademiker im Rahmen der entsexualisierenden Ideologie des Gender-Mainstreaming ist, wissen nicht einmal Experten zu beziffern. Zwar betreibt fast jedes Genderzentrum seine historische Abteilung. Die bewilligten Fördermittel jedoch konkret zu benennen, wagt kaum eine ihrer Stellen.

Selbst im Bund schiebt man die Verantwortung von sich und verweist im Rahmen einer kleinen Anfrage vom November 2012 auf die Kompetenzen der involvierten Ministerien. Gefragt hatten die Grünen, und im selben Atemzug den nächsten Posten angeregt: „Forschungsprojekte zu geschlechtersensibler Haushaltspolitik“. Nach Gender-Mainstreaming und -Networking heißt der nächste Trend demnächst wohl Gender-Budgeting – die komplette Ausrichtung der Bundes- und Landeshaushalte nach Geschlechterfragen.

Foto: Manuela Schwesig, Arbeitsministerin Mecklenburg-Vorpommern, und die Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) und Hannelore Kraft (NRW) (v.l.): SPD-Speerspitze für mehr Frauenrechte

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