© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Apo-Gipfel an der Spree
Marcus Schmidt

Der Ausblick stimmt schon mal. Das rote Sofa, auf dem FDP-Mann Hermann Otto Solms und AfD-Sprecher Bernd Lucke Platz nehmen, steht vor einer breiten Fensterfront. Nur wenige Meter weiter fließt die Spree – kein ungewöhnlicher Ausblick im Berliner Regierungsviertel.

Indes steht die Couch gar nicht dort, sondern einige Kilometer flußaufwärts in Friedrichshain. Statt Politiker, Lobbyvertreter und Journalisten bevölkern hier die jungen Kreativen die Straßen. Es ist sozusagen der Gipfel der außerparlamentarischen Opposition, zu dem am Freitag vergangener Woche der Verband „Die Jungen Unternehmer“ geladen hatte.

Sowohl die Euro-kritische AfD als auch die Liberalen hatten am 22. September den Sprung über die Fünfprozenthürde knapp verpaßt. Die Wähler der Parteien, die zusammen 9,5 Prozent erreichten, haben nun kein Sprachrohr im Parlament. Sie müssen darauf hoffen, daß AfD und FDP als außerparlamentarische Opposition ihre Stimme erheben.

Doch welchen Einfluß kann eine Partei ohne Bundestagsmandate überhaupt nehmen? AfD-Chef Lucke macht sich da keine Illusionen und schätzt die Möglichkeiten als äußerst begrenzt ein. „Die großen Parteien haben sich als beratungsresistent erwiesen“, sagt Lucke. Für den AfD-Sprecher, der sich seit der Wahl mit den Niederungen der Parteiarbeit herumschlagen muß, war die Veranstaltung in Berlin eine willkommene Abwechslung. Erstmals seit der AfD-Gründung regt sich parteiinterne Kritik an Lucke. Sogar Putschgerüchte machten die Runde. Auf dem roten Sofa gab er sich nun angriffslustig und zeigte einmal mehr, daß ihm bei der Kritik an der Euro-Rettungspolitik kaum jemand das Wasser reichen kann. Schon gar nicht an diesem Tag Hermann Otto Solms, dessen Verteidigung der Euro-Politik der abgewählten schwarz-gelben Koalition äußerst matt ausfällt. Es ist zu spüren: Hier spricht Solms als loyaler Parteisoldat, nicht aus Überzeugung.

Auf dem Sofa zeigt sich zudem, daß sich die AfD und die Solms-FDP sehr nahe stehen, sieht man einmal von der Euro-Problematik ab. Doch Lucke weiß auch, daß der 72 Jahre alte Solms kaum den künftigen Kurs der Partei bestimmen wird. Schon bei den Koalitionsverhandlungen 2009 war er ausgebootet worden. Statt Finanzminister wurde Solms Vizepräsident des Bundestages. „Das tut mir leid“, sagte Lucke. Und Solms läßt ahnen, wie sehr ihn dieses Scheitern schmerzt: „Mir tut es auch leid.“

Lucke präsentiert seine Partei denn auch als Alternative für eine „verbrauchte“ FDP, die sich ihrer ordnungspolitischen Tradition beraubt und sich zudem in der Europapolitik in eine Sackgasse manövriert hat. „Wir sind weit gekommen bei der europäischen Integration, mehr ist derzeit nicht nötig“, sagte Lucke und erntet damit den ersten Applaus. Ziel der AfD sei ein Europa souveräner Nationalstaaten. Das Etikett nationalliberal will er sich dennoch nicht anheften lassen. Aber auch die Liberalität Luckes hat offenbar ihre Grenzen. „In der inneren Sicherheit bin ich bestimmt kein Liberaler“, bekennt der AfD-Sprecher.

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