© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Deutungen zum Reformator: Vordemokrat, aber auch Wegbereiter der „Buntheit“
Luther im Zeitgeist-Tunnel
(ds)

Der in München Systematische Theologie lehrende Protestant Friedrich Wilhelm Graf beklagt „antidemokratische Affekte“ lutherischer Universitätstheologie, die noch in den 1960er Jahren virulent gewesen seien. Und er bedauert, daß führende lutherische Theologen, abgesehen von Liberalen wie Martin Rade oder Rudolf Otto, sich an vorderster Front daran beteiligt hätten, die Weimarer Republik „durch Kampf gegen alles ‘westliche Denken’ sturmreif zu schießen“. Trotzdem will Graf, das Luther-Jubiläum 2017 fest im Blick, nicht in den Schematismus verfallen, den Reformator als Inbegriff von Reaktion und Rückständigkeit zu schmähen (zeitzeichen, 10/2013). Zwar sei Bruder Martin keine aufklärerische Lichtgestalt, auch kein germanischer Empörer gegen das romanische Papsttum, wie ihn Theologen nach 1918 gern sehen wollten, aber antitotalitäre und damit zeitgeistig kompatible Wirkungen will Graf ihm nicht streitig machen. Luther gerät ihm daher als frühneuzeitlicher Wegbereiter bundesdeutscher „Buntheit“, Vielfalt und Weltoffenheit. Denn den „größten Gewinn“, freilich leider gegen Luthers ursprüngliche Intention, sieht er in der „konfessionellen Pluralisierung des Christlichen“. Seitdem sei es umstritten, was das wahrhaft Christliche ist. Anders als manche „Ökumene-Ideologen“ suggerierten, sei dies aber nicht zu bedauern, sondern „religionskulturell“ produktiv zu beurteilen.

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