© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Auf der Suche nach dem Datenschutz
NSA-Affäre: Politik und Wirtschaft prüfen Maßnahmen, um sich künftig gegen Ausspähaktionen zu schützen
Lion Edler

In Berlin findet sich derzeit nur mit Mühe ein Politiker, der gut auf die Amerikaner zu sprechen ist. Zu tief sitzt die Enttäuschung über die als Vertrauensbruch empfundenen Abhöraktitivitäten des Geheimdienstes NSA. „Die Amerikaner haben die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zugunsten der Sicherheit verloren“, sagt etwa der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Günter Krings (CDU).

Gemeinsam mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Kretschmer (CDU) hat Krings in der vergangenen Woche einen Maßnahmenkatalog gegen geheimdienstliche Überwachung aus dem Ausland vorgelegt. Die Union versucht darin auch dem Vorwurf entgegenzutreten, daß sie die Aushöhlung der Bürgerrechte erst dann ernst genommen habe, als die Bundeskanzlerin durch das Abhören ihres Mobiltelefons selbst betroffen war. Die Diskussion im Sommer habe vor allem „das Ausleiten und flächendeckende Analysieren des Internetverkehrs über Leitungen in den Vereinigten Staaten bzw. auf den Transatlantikstrecken“ betroffen, heißt es in dem Papier. Demgegenüber sehe man sich nunmehr „auch mit dem gezielten und dauerhaften Ausspähen deutscher Bürger und Repräsentanten direkt in Deutschland konfrontiert“, wodurch sich „eine neue Dimension“ ergebe. „Problematisch und klärungsbedürftig“ sei, daß die Ausspähung „von einem uns freundschaftlich verbundenen Staat“ geschehen sei.

Bei den zusammengetragenen Lösungsvorschlägen der Union fällt vor allem eines auf: Das Wort Nation wird plötzlich wieder größer geschrieben. So empfiehlt die Fraktion Unternehmen und Privatpersonen, die mittels einer sogenannten „Cloud“ Daten auf ausländische Server auslagern, sich zu überlegen, „ob sie zukünftig nationale Anbieter, die den strengen Auflagen in Deutschland unterliegen, beauftragen“. Um wichtige Infrastrukturen besser vor IT-Angriffen schützen zu können, müsse das Vergaberecht zudem in der Lage sein, „für bestimmte lebenswichtige Bereiche nationale Anbieter bevorzugen zu können“. In besonders „schützenswerten Bereichen“ wie der Strom- oder Wasserversorgung oder bei sensibler Kommunikation müsse Deutschland „auf eigene nationale Produkte und Lösungen setzen können“. Die Schaffung und der Erhalt einer „nationalen IT-Industrie“ seien notwendig, um „eine technologische Souveränität unseres Landes sicherzustellen.“ Die Union brachte zudem eine art „Schengen-Raum“ für Datenwolken ins Gespräch, in dem Datensicherheit auf einem gleichmäßig hohen Schutzniveau gewährleistet werde und in dem „Datenfreizügigkeit“ herrsche.

In eine ähnliche Richtung tendiert auch die Deutsche Telekom. Der Konzern arbeitet derzeit an einem deutschen Internet, welches gewährleisten soll, daß Daten nicht die Grenzen von Deutschland oder Europa verlassen. „Es laufen Gespräche mit diversen möglichen Partnern“, bestätigte ein Telekom-Sprecher nach einem Bericht des Spiegel. Wie das Magazin schreibt, soll die Telekom dabei auch auf die Unterstützung durch die Bundesregierung hoffen.

Mit einer ihrer zentralen, international orientierten Forderungen ist die Union dagegen bereits aufgelaufen: Offenbar denken die Vereinigten Staaten keineswegs daran, ein „No-Spy-Abkommen“ zu unterzeichnen, das gegenseitige Spionage untersagt. Diese Botschaft hätten der Chef des BND, Gerhard Schindler, und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, in den Vereinigten Staaten erhalten. Washington befürchte, daß ein verbindliches Abkommen womöglich Begehrlichkeiten anderer Staaten wecken würde, berichtet das Magazin. Zudem könne ein expliziter Verzicht auf Spionage als Eingeständnis gewertet werden. Und auch Krings sagt: „Ein No-Spy-Abkommen ist kein Allheilmittel.“ Zudem stelle sich die Frage, wie man eine solche Vereinbarung kontrollieren wolle.

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), der nach eigener Aussage mehr als 2.000 Unternehmen vertritt, veröffentlichte in der vergangenen Woche ein Positionspapier zu den Abhörmaßnahmen. Bitkom betrachtet „mit großer Sorge“, daß durch die Abhörmaßnahmen das Vertrauen in neue Technologien beschädigt und gegen geltendes Recht verstoßen werde. Der Verband fordert die Bundesregierung daher auf, „in aggregierter Form schnellstmöglich über den Umfang der tatsächlichen Abhörmaßnahmen der Geheimdienste“ aufzuklären. Zugleich müßten gesetzliche Vorschriften, die Unternehmen zur Geheimhaltung solcher Informationen verpflichten, überprüft werden. Europa brauche zudem „einheitliche Gesetze und Regelungen für die Speicherung von Daten“. Gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten und Partnerländern wie den Vereinigten Staaten müsse eine Übereinkunft darüber erzielt werden, „welche Auskunftsersuchen von wem und unter welchen Umständen zulässig sind und nach welchen international zu standardisierenden Verfahren Datenweitergaben erfolgen müssen“. Unbefugter Zugriff auf Unternehmensgeheimnisse müsse auch international als Straftat verfolgt und „mit angemessenen Schadensersatzansprüchen unterlegt“ werden.

Foto: Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) in der vergangenen Woche nach einer Sitzung des Parla-mentarischen Kontrollgremiums zur NSA-Affäre: Wenig Hoffnung auf ein No-Spy-Abkommen

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