© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Streit über Finanzen und Europa
Alternative für Deutschland: In der Euro-kritischen Partei sorgen zwei Darlehen und eine Brüssel-Reise für Aufregung
Marcus Schmidt

Wenn eine Partei versichert, sie sei nicht zerstritten und es gebe keine Machtkämpfe, lohnt es sich häufig, etwas genauer hinzuschauen. So auch bei der Alternative für Deutschland (AfD): Am Dienstag verschickte die Partei eine Mitteilung, in der der Sprecher des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Alexander Dilger, Gerüchte dementierte, parteiintern werde darüber diskutiert, Parteichef Bernd Lucke abzulösen.

Die ungewöhnliche Pressemitteilung macht schlagartig deutlich: In der AfD brennt es derzeit an vielen Ecken, und die Parteiführung hat zunehmend Mühe, die Konflikte beizulegen und die Partei zusammenzuhalten. Das zeigt auch Dilgers Verweis auf den Parteikonvent von Funktionären aus Bund und Ländern am vergangenen Sonnabend in Kassel. Dort habe „sowohl beim Thema Finanzen als auch beim Thema Europapolitik“ Konsens geherrscht, versichert der NRW-Chef und benennt damit gleichzeitig die beiden derzeit brisantesten Konfliktfelder.

Denn noch vor Beginn des Konventes sah sich die Parteiführung am Sonnabend zu einem ungewöhnlichen Schritt genötigt. In einem Rundschreiben an alle Mitglieder und Förderer der AfD wehrten sich die drei Sprecher der Partei, Bernd Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam, gegen den Vorwurf einer unsauberen, ja kriminellen Parteienfinanzierung.

Auslöser für die ungewöhnliche Reaktion war ein erst am Freitag im Internet veröffentlichter Text, der offenbar auch per Mail an zahlreiche AfD-Mitglieder verschickt wurde. Darin wirft ein anonymer Autor unter dem Pseudonym „Melanie Jacobs“ der Parteispitze vor, bei der Aufnahme zweier Darlehen in Höhe von jeweils 500.000 Euro im Bundestagswahlkampf, „grob rechts- bzw. satzungswidrig“ gehandelt zu haben.

Die Anschuldigungen gipfeln in einem Zitat, das angeblich von einem Mitglied des AfD-Bundesvorstandes stammen soll: „Im AfD-Finanzwesen herrschen kriminelle Zustände.“

Der anonyme Autor wirft der Parteiführung konkret vor, durch die Darlehen, die unter anderem durch die noch ausstehende staatliche Wahlkampfkostenerstattung besichert sind, den finanziellen Spielraum der Landesverbände zu beschneiden. „Der Bundesvorstand unter Bernd Lucke will einen Teil der staatlichen Parteienfinanzierung, die den Landesverbänden zusteht, selbst verfrühstücken, ohne die Landesverbände um Zustimmung zu bitten. Das ist illegal“, heißt es in dem Schreiben.

Die Parteispitze widerspricht in ihrem eilig verfaßten Rundschreiben dieser Darstellung vehement. Die Sprecher verweisen darauf, daß die Rückzahlung der beiden Darlehen von dem ungenannten Geldgeber an die Kassenlage der Partei gekoppelt sei. „Es ist jeweils vorgesehen, daß Zins und Tilgung nur zu leisten sind, wenn die Partei genügend finanzielle Mittel hat. Andernfalls werden Zins und Tilgung gestundet“, heißt es in dem Schreiben. Sollte nach fünf Jahren (beim zweiten Darlehen: acht Jahren) das Darlehen noch nicht vollständig getilgt sein, werde der jeweilige Rest der Partei als Spende erlassen. Das zweite Darlehen werde zudem ausschließlich aus Mitteln des Bundesverbandes verzinst und getilgt, so daß die Finanzen der Landesverbände nicht berührt würden. Auch gegen den Vorwurf, der Bundesvorstand habe die Darlehen an den Landesverbände vorbei aufgenommen, wehren sich die Sprecher. Die Landesverbänden hätten mehrheitlich zugestimmt.

Kenner der Parteifinanzen wollen in der Art und Weise, wie die Parteiführung die Darlehen aufgenommen habe, denn auch keine „kriminellen Zustände“ sehen, sprechen allerdings immerhin von einer „Grauzone“ und handwerklicher Ungeschicklichkeit. Die Finanzordnung der Partei weise noch eklatante inhaltliche Lücken auf, die mit Blick auf das Parteiengesetz möglichst schnell geschlossen werden müßten.

Gleichzeitig spitzt sich der Richtungskampf innerhalb der AfD zu. Am augenfälligsten wurde dies in der vergangenen Woche durch ein Treffen zweier AfD-Funktionäre mit dem Chef der EU-kritischen britischen UKIP, Nigel Farage, in Brüssel. In der Partei wird die öffentlichkeitswirksame Reise des Sprechers des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Wandschneider, und des stellvertretenden AfD-Chefs von Nordrhein-Westfalen, Martin E. Renner, als gezielte Spitze gegen Bernd Lucke verstanden. Dieser hatte sich zuvor skeptisch über UKIP geäußert und vielmehr die britischen Tories als möglichen Bündnispartner im Europaparlament bezeichnet. Eine Haltung, die beim konservativen AfD-Flügel auf Unverständnis stieß.

Das Treffen mit Farage sei „unabgestimmt“ gewesen, sagte Dilger nach dem Konvent. Eine zukünftige Zusammenarbeit mit UKIP sei nicht die offizielle Parteilinie. „Über die Ausrichtung der Alternative für Deutschland ist man sich auf dem Parteikonvent einig gewesen“, versichert Dilger. Es seien keine Rebellen anwesend gewesen, die eine andere Linie vertreten hätten als den offiziellen AfD-Kurs. Jetzt gehe es lediglich darum, innerhalb der Landesverbände diese Linie gegenüber denjenigen Leuten zu verteidigen, die der Partei schaden oder ihr eigenes Süppchen kochen wollten, kündigte der NRW-Landeschef an.

Die Zeichen in der AfD stehen auf Konfrontation.

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