© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Der kleine Unterschied macht‘s möglich
Demographie: Immer mehr Frauen in Deutschland bleiben kinderlos
Henning Hoffgaard

Die Differenz ist klein, die Auswirkung dafür um so größer. 1,4 Kinder bekommt eine Frau in Deutschland nach einer neuen Untersuchung des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich. Zur Stabilisierung der Geburtenzahlen wären allerdings 1,6 nötig. Sollte dieser Wert in den kommenden Jahren nicht erreicht werden, droht der Bundesrepublik ein weiterer Einbruch bei den jährlichen Geburtenzahlen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland noch rund 673.500 Kinder geboren. Zum Vergleich: 1964 waren es noch mehr als 1,3 Millionen. 2060 könnten es nur noch 500.000 sein. Bei 1,6 Kindern pro Frau würden sich die Geburten dagegen bis zu diesem Zeitpunkt bei etwa 650.000 stabilisieren.

Der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, sieht dafür allerdings keine Anzeichen: „Ein weiterer Anstieg der endgültigen Kinderzahl ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich. Dafür wären spürbare Änderungen im Geburtenverhalten der jüngeren Frauenjahrgänge erforderlich“, sagte er auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche in Berlin. Änderungen seien allerdings nicht zu sehen.

So hat die Zahl der kinderlosen Frauen in Deutschland weiter zugenommen. 2012 hatten 22 Prozent der Frauen im Alter zwischen 40 und 44 keine Kinder. 2008 lag dieser Wert noch bei 20 Prozent. Besonders hoch ist der Anteil der Frauen ohne Kinder in den alten Bundesländern (23 Prozent) und unter Akademikerinnen (29 Prozent). Bei den Bundesländern ist Hamburg mit 32 Prozent Spitzenreiter.

Deutschlandweit die geringsten Kinderlosenquoten hatten Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils 14 Prozent. Obwohl der Anteil der Familien ohne Kinder in den östlichen Bundesländern noch immer niedriger ist als im Westen, steigt er dort besonders stark an. Lag die Kinderlosenquote im Osten 2008 noch bei zehn Prozent, sind es mittlerweile schon 15 Prozent. Auch bei hochqualifizierten Frauen sind Kinder vergleichsweise selten anzutreffen. Knapp 29 Prozent der 45- bis 49jährigen Akademikerinnen hatten 2012 keinen Nachwuchs.

Einen möglichen Grund nennen die Statistikexperten auch: Je mehr Nachwuchs in einem Haushalt lebt, desto größer ist die Armutswahrscheinlichkeit. 24,1 Prozent der Familien mit mehr als drei Kindern müssen mit weniger als 2.086 Euro im Monat auskommen. Die Zahlen sind dabei von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Waren in Bayern nur 15 Prozent der kinderreichen Familien von Armut bedroht, stieg der Wert in Mecklenburg-Vorpommern auf 46,1 Prozent. Trotz der Zahlen ist eine Erhöhung des Kindergeldes vorerst ausgeschlossen. In den Koalitionsverhandlungen ist die Union von entsprechenden Plänen abgerückt.

Allerdings sinkt die Zahl der kinderreichen Familien auch aus anderen Gründen: So setzt sich der Trend zur späteren Familiengründung weiter fort. Im deutschlandweiten Durchschnitt waren 2012 die Mütter beim ersten Kind 29 Jahre alt. Der Anteil der Frauen, die noch vor ihrem 30. Geburtstag das erste Kind bekommen, wird immer kleiner. Dadurch verringert sich auch die Zahl der Mütter mit mehreren Kindern. Von den 8,1 Millionen Familien in Deutschland hatten nur 15 Prozent drei Kinder oder mehr. 43 Prozent hatten zwei Kinder, und 42 Prozent hatten ein Kind.

Die meisten Mütter verzichten nicht auf ihre Elternzeit und den Mutterschutz. So gingen nur neun Prozent von ihnen während des ersten Jahres nach der Geburt einer Erwerbstätigkeit nach. Bei Frauen, deren jüngstes Kind zwischen ein und drei Jahren alt ist, ging nur jede dritte einem Beruf nach.

Zumindest mit einem Mythos räumte das Statistische Bundesamt bereits 2012 auf. Die unterschiedlichen Geburtenquoten von Ausländerinnen und Deutschen gleichen sich mehr und mehr an. Anfang der neunziger Jahre lag die zusammengefaßte Geburtenziffer von Ausländern bei 2,0 Kindern je Frau. Bis 2010 sank sie auf ungefähr 1,6. Zu den Ausländern zählt die Statistikbehörde allerdings auch die zunehmende Zahl von Osteuropäern, die im Durchschnitt noch weniger Kinder bekommen als deutsche Frauen. Am anderen Ende des Spektrums stehen arabische und türkische Frauen mit 1,9 Kindern.

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