© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/13 / 08. November 2013

EU-Krisenbewältigung: Brüssel forciert „Mißtrauensgemeinschaft"
Schleichende Entfremdung
(wk)

Die Euro-Krise ermögliche aufschlußreiche Erkenntnisse über die Entwicklungsdynamik und Funktionsmechanismen der Europäischen Union, meinen die Politikwissenschaftler Philipp Genschel und Markus Jachtenfuchs (Zeitschrift für internationale Beziehungen, 1/2013). Theoretisch könnte die Krisenbewältigung auch auf einen Integrationsstopp oder gar eine Desintegration hinauslaufen. Doch statt dessen zeige sich wieder einmal „die eigentümliche Tendenz der EU, auf die Folgeprobleme der Europäischen Integration stets mit noch mehr Integration zu reagieren statt mit weniger“. Sinn dieses Vorgehens sei, „unmittelbare Krisensymptome zu mildern und die kritische Öffentlichkeit im Zaum zu halten“. Das freilich führe zu „einer schleichenden Entfremdung zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten und ihren Wählern“, die in eine „latente Euroskepsis“ verfallen. Die anscheinend konfliktminimierenden Techniken der Integration hätten nämlich keine „Solidargemeinschaft der europäischen Völker“ hervorgebracht, sondern „eine Mißtrauensgemeinschaft, in der die einzelnen nationalen Souveräne permanent mutmaßen, die anderen wollten sich auf ihre Kosten bereichern“. Darüber hinaus komme es so natürlich auch zu keiner Beseitigung der Ursachen für die Krise, sondern nur zu einer vorgetäuschten Bewältigung.

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