© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/13 / 08. November 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der alte Mann und der Spion
Marcus Schmidt

Wenn „der Hans-Christian“ in seinem Berliner Wahlkreis unterwegs ist, erntet er zumeist ein anerkennendes Kopfnicken. Hans-Christian Ströbele ist so etwas wie der nette Opa von Friedrichshain-Kreuzberg. Irgendwie war der 74 Jahre alte Grünen-Politiker schon immer da, und so fällt er beim Spielplatzfest im Samariterkiez oder beim Straßenfest in der Bergmannstraße auch nicht weiter auf.

In der vergangenen Woche wechselte der Bundestagsabgeordnete aus seinem überschaubaren Kiez auf die große Bühne der Weltpolitik. Als Ströbele am Freitag vor der Bundespressekonferenz von seinem Treffen mit dem Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden in Moskau berichtete, war der Saal so voll wie lange nicht mehr. Auch auffallend viele ausländische Korrespondenten wollten sich den Auftritt nicht entgehen lassen.

Dabei hatte Ströbele inhaltlich nicht viel neues zu präsentieren. Wichtigstes Mitbringsel war ein nicht adressierter Brief Snowdens. Darin schreibt dieser, er hoffe, „wenn die Schwierigkeiten dieser humanitären Lage beigelegt sind“ (gemeint ist sein Asyl in Rußland), sich an der Aufklärung der NSA-Affäre angemessen beteiligen zu können. Das Schreiben, das Ströbele und Snowden in Moskau mit ihren Unterschriften beglaubigt hatten, habe er nach seiner Rückkehr an die Bundeskanzlerin und den Generalbundesanwalt weitergeleitet, berichtete der Grünen-Politiker. Am liebsten wäre es Snowden allerdings, wenn er vor den Ausschüssen des amerikanischen Senats und des Repräsentantenhauses aussagen könnte.

Ansonsten blieb Ströbele zu berichten, wie er seinen Coup eingefädelt hatte. Dabei zeigte er, daß es manchmal ganz einfach sein kann: „Warum fragt man ihn nicht selbst, statt rumzuspekulieren“, habe er sich gedacht. Und so hätten seine Mitarbeiter bereits im Sommer Kontakt mit Snowden aufgenommen. Ein erster Besuchstermin habe sich kurzfristig zerschlagen, der Draht nach Moskau sei abgerissen. Doch Ende Oktober habe es dann plötzlich wieder Kontakt gegeben, erzählte Stöbele.

Laut Welt war die erneute Kontaktaufnahme allerdings vielleicht doch nicht ganz so zufällig. Vieles spreche dafür, daß der Besuch Ströbeles komplett vom russischen Geheimdienst eingefädelt und organisiert wurde, heißt es unter Berufung auf Sicherheitsexperten.

Schon am Montag und damit noch vor dem für Mittwoch geplanten Bericht Ströbeles vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium war im Fall Snowden wieder alles beim alten. Die Bundesregierung lehnte das von Grünen, Linkspartei und Teilen der SPD geforderte Asyl für den Ex-NSA-Mitarbeiter in Deutschland ab. Dies sei bereits im Juli geprüft worden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor.

„In der Sache sind wir so schlau wie vorher“, kommentierte denn auch der Parlamentarische Geschäftsführer von CDU/CSU, Michael Grosse-Brömer (CDU), Ströbeles Reise nach Moskau. Sein wenig schmeichelhaftes Urteil: Der Grünen-Politiker sei nicht viel mehr als ein Briefträger gewesen.

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