© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/13 / 01. November 2013

Knapp daneben
Verheerende Signale von Porsche
Karl Heinzen

Mit den Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung trat die Soziale Marktwirtschaft vor knapp einem Jahrzehnt in ihre Reifephase ein. Der naive Optimismus, die Bürger würden immer weniger arbeiten müssen und doch immer wohlhabender werden können, war endlich überwunden. Zwar wuchs die Wirtschaft weiter, und der technische Fortschritt trieb die Produktivität unablässig an. Doch nun war die Zeit reif, daß auch diejenigen, die durch ihren Kapitaleinsatz überhaupt erst die Voraussetzungen für Prosperität schufen, endlich zu ihrem Recht kämen.

Die Botschaft, daß der Wirtschaftsstandort Deutschland mitsamt seinen Arbeitsplätzen nur dann eine Zukunft hätte, wenn die Renditen stimmten, wurde verstanden. Die Menschen sind heute bereit, härter und länger zu arbeiten, pochen nicht auf Reallohnsteigerungen und haben Verständnis für den Rückbau des Sozialstaates und die Entschlackung der Arbeitnehmerrechte. Die Anspruchsmentalität ist überwunden, und gewerkschaftliche Kampagnen von einst, die dreist eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich forderten, kann niemand mehr nachvollziehen.

Diese neuen Selbstverständlichkeiten, die der Exportnation Deutschland Krisenfestigkeit verliehen, scheint nun ausgerechnet der Luxusgutproduzent Porsche in Frage zu stellen. 3.500 Beschäftigte in der Produktion am Stammsitz Zuffenhausen müssen seit September nur noch 34,5 Stunden pro Woche arbeiten. Ab Dezember werden es weitere 30 Minuten weniger sein. Der Lohn bleibt dabei ungeschmälert, das Unternehmen wolle lediglich dem wachsenden Streß, der mit der Produktivitätssteigerung einhergeht, Rechnung tragen.

Es mag sein, daß die Arbeitszeitverkürzung das Betriebsergebnis nicht wesentlich schmälert. Ihre Signalwirkung auf die Volkswirtschaft ist jedoch verheerend. Wollte man allen, die durch ihren Beruf gestreßt sind, auf diese Weise entgegenkommen, würde bald niemand mehr arbeiten. Porsche reicht es wohl nicht, Nobelkarossen für Kunden zu produzieren, die mit ihrem Wohlstand prahlen wollen. Jetzt sollen sich auch noch die Beschäftigten als etwas Besseres empfinden dürfen.

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