© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/13 / 01. November 2013

„Die ganze Partei zerlegt sich gerade“
„Alternative für Deutschland“: Die AfD-Führung um Bernd Lucke sieht sich derzeit Angriffen aus vielen Richtungen ausgesetzt
Marcus Schmidt

Die Alternative für Deutschland (AfD) kommt nicht aus den Schlagzeilen. In der vergangenen Woche sorgten die Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck über die AfD (siehe auch Seite 1) für medialen Wirbel. Gauck hatte während einer Diskussion gesagt, er sei „sehr dankbar“, daß die Partei nicht in das Parlament eingezogen sei. AfD-Sprecher Bernd Lucke reagierte entsetzt: „Ich halte das für eine Entgleisung und einen Verstoß gegen die Neutralitätspflichten des Bundespräsidenten.“ Es sei nicht hinnehmbar, daß Gauck öffentlich äußere, wen er im Parlament sehen wolle und wen nicht.

Für die Partei ist die ständige Medienpräsenz zweischneidig. Zum einen ist es für die erst im Februar gegründete AfD überlebensnotwendig, daß sie nach ihrem äußerst knappen Scheitern bei der Bundestagswahl nicht in Vergessenheit gerät. Zum anderen besteht die Gefahr, daß die Partei zunehmend als zerstritten wahrgenommen wird, was wiederum Wähler abschreckt.

Auf welchem Niveau sich die Angriffe gegen die AfD mittlerweile bewegen, zeigen zwei Beispiele. Der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer nahm in der vergangenen Woche Gauck mit deutlichen Worten gegen die Kritik Luckes in Schutz. Die Reaktion des AfD-Chefs „mit Schaum vor dem Mund“ zeige, daß der Bundespräsident den Nerv getroffen habe. Wer sich bewußt ins populistische Lager begebe, dürfe sich nicht beklagen, wenn er als Populist behandelt werde. „Wer im trüben Wasser fischt, muß sich nicht wundern, wenn er im braunen Sumpf ausrutscht“, ergänzte er.

Am Wochenende verbreitete dann der Spiegel eine Vorabmeldung, in der behauptet wurde, die AfD erfreue sich „der Unterstützung mehrerer rechter Burschenschaften“. Als Beleg dienten dem Hamburger Magazin unter anderem angebliche Einträge der Berliner Burschenschaft Gothia bei Facebook. „Die Gothia hatte zuletzt mit antisemitischen Kommentaren und einer Nazi-Kunst-Ausstellung von sich reden gemacht“, hieß es im Spiegel ohne jeglichen Bezug zur AfD weiter. Die Studentenverbindung widersprach prompt und teilte in einer Erklärung mit, daß sie sich „weder wörtlich noch sinngemäß“ wie vom Magazin behauptet geäußert habe. Über die Stoßrichtung des Artikels gibt es in der Partei derweil keinen Zweifel. Mit dem Antisemitismusvorwurf gegen angebliche Unterstützer soll die AfD selbst in die rechte Ecke gerückt werden.

Vor allem im Konrad-Adenauer-Haus wird unterdessen längst an einer Strategie für die Europawahl gebastelt, mit der ein Erfolg der Euro-kritischen Partei bei der Europawahl im kommenden Jahr verhindert werden soll. Ein fester Bestandteil auch hier: die AfD in der öffentlichen Wahrnehmung möglichst weit nach rechts zu rücken.

Doch nicht nur die Medien und die politischen Gegner machen der AfD derzeit zu schaffen. Schwierigkeiten drohen der Parteiführung um Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry auch aus mehreren Landesverbänden. Bayern und Baden-Württemberg gelten wegen persönlicher Reibereien als Krisenherde. Nun ist auch noch der Chef in NRW, Alexander Dilger, wegen unüberbrückbarer Differenzen mit seinen Vorstandskollegen zurückgetreten. Zwar kündigte Dilger an, auf dem Landesparteitag Ende November wieder als Vorsitzender anzutreten – seine Wahl ist indes ungewiß.

Ein Vorstandsmitglied sieht die Lage denn auch als äußerst kritisch an: „Die ganze Partei zerlegt sich gerade.“ Wenigstens eine Personalie scheint Parteichef Lucke inzwischen geklärt zu haben: Frank Hansel soll Geschäftsführer der Bundespartei werden. Der Lucke-Vertraute ist Schatzmeister in Berlin und gilt dort als starker Mann. Er hat den durch Querelen und Rücktritte geschwächten Landesvorstand zusammengehalten und verhindert mit Geschick, daß es zu einer Neuwahl des Berliner Vorstands kommt. Zumindest dort herrscht erst einmal Ruhe.

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