© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/13 / 25. Oktober 2013

Auf Schwachstellen durchforstet
Schwarzbuch der Steuerverschwender: Der sorglose Umgang mit öffentlichen Mitteln hält ungebremst an
Christian Schreiber

Seit Wochen beherrscht die millionenteure Umgestaltung der Residenz des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst die Schlagzeilen. Selbst Evangelische und Atheisten stimmen in den Chor der Kritiker des „Protz-Bischofs“ (Bild) ein. Der Spiegel fragte sogar in allen katholischen Bistümern an, welcher Dienstwagen und welche Wohnung den katholischen Oberhirten zu Verfügung stehen. Die Antworten dürften bei anderem deutschen Führungspersonal eher Sorgen über Beinfreiheit und Platzangst auslösen: Ein Audi A6, 5er BMW oder VW Passat und 150 Quadratmeter Wohnfläche sind sicher kein Grund für Sozialneid.

In der medialen Aufregung um Limburger Millionen gingen allerdings jene Milliarden unter, die von Politikern und ihren Beamten ganz ohne schlechtes Gewissen jährlich verschwendet werden. Brücken, die ins Nichts führen, Straßen die nie fertig wurden oder Radwege ins Nirgendwo: Wenn der Bund der Steuerzahler (BdSt) sein jährliches Schwarzbuch vorstellt, zunächst wird ein paar Tage berichtet – und dann passiert nichts. Dabei listet der BdSt auch im inzwischen 41. Schwarzbuch peinlich genau auf, wo die öffentliche Hand im vergangenen Jahr wieder Steuergelder sinnlos verpulvert hat. Mehr als hundert Beispiele hat der BdSt gesammelt.

Dabei geht es beileibe nicht nur um die ganz großen Projekte wie den Hauptstadtflughafen BER oder die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin, bei denen sich die Mehrkosten in Milliardenhöhe türmen und die in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert wurden. Auch die kleineren Sünden, die einen Vergleich mit dem Fall Limburg nicht scheuen müssen, kommen zur Sprache. Aus Sicht der Experten wären die gravierenden Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauten durch solide Planung und realistische Finanzierung meist vermeidbar gewesen. Nicht jede Überschreitung des Budgets dürfe zudem automatisch mit einer Verschwendung von Steuergeldern gleichgesetzt werden. „Viele dieser negativ auf das Bauvorhaben wirkenden Faktoren sind von der Politik und der Verwaltung hausgemacht“, heißt es im BdSt-Buch.

Beispiele für öffentliche Verschwendung gibt es dennoch mehr als genug. Bei dem Versuch, zwei Brandenburger Seen miteinander zu verbinden, sind die Kosten komplett aus dem Ruder gelaufen. Nicht 4,6 Millionen, sondern 51 Millionen Euro müssen die Steuerzahler nun berappen. Die Gründe? „Die üblichen! Schlechte Planung und wäßriges Controlling durch die öffentliche Hand“, heißt es im Schwarzbuch. Nicht viel cleverer gingen die Planer in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz ans Werk. Da ist eine Fußgängerbrücke für 340.000 Euro saniert worden. Ein Abriß wäre dabei wesentlich günstiger und vernünftiger gewesen, da sich in der Nähe ein Fußgängertunnel befindet.

Amüsant, aber teuer, ging es auch in Mecklenburg-Vorpommern zu. Vor inzwischen mehr als sieben Jahren begannen die Arbeiten für einen sechs Kilometer langen Radweg an der Bundesstraße 5. Doch angefangen hat man in der Mitte, nach 300 Metern war schon wieder Schluß. Auf beiden Seiten endet der Radweg im Nichts. Geändert hat sich daran bis heute nichts, gekostet hat der „Spaß“ 400.000 Euro. Eher dreist gingen die Oberen im kleinsten Bundesland der Republik ans Werk. Daß im genußfreudigen Saarland gern gefeiert wird, ist seit Oskar Lafontaine legendär. Doch daß der 50. Geburtstag von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) 30.000 Euro gekostet hat, dürften die Steuerzahler des strukturschwachen Bundeslandes weniger lustig finden.

Eine Parallele zum Berliner BER gibt es in Düsseldorf. Die dortige Universitätsklinik hat mit dem Zentrum für Operative Medizin II (ZOM) seit drei Jahren ein modernes Operationszentrum – die Ärzte können den 170-Millionen-Euro-Bau aber wegen zahlreicher Mängel seit der Fertigstellung vor drei Jahren nicht nutzen. Für Heizung, Wartung und Reinigung muß die Klinik allerdings zwei Millionen Euro pro Jahr zahlen. Die Eröffnung soll frühestens im Laufe des Jahres 2014 stattfinden.

In Sachsen-Anhalt schütteln nicht nur Umweltschützer den Kopf über den Ausbau von Elbe, Saale und speziell den Neubau des zehn Kilometer langen und geschätzt 150 Millionen Euro teuren Saale-Seitenkanals bei Tornitz. Benachbarte Investitionsruinen hätten Warnung sein können: „So sind über 100 Millionen Euro allein in den Ausbau der Binnenhäfen in Aken, Arneburg, Halle und Dessau-Roßlau geflossen. Die Häfen produzieren jedoch tiefrote Zahlen und verschlingen in jedem Jahr kommunale Steuergelder in Millionenhöhe zur Aufrechterhaltung des Hafenbetriebs.“ Angesichts des 700 Millionen Euro teuren „Euro Hawk“-Rüstungsprojekts verblassen die Hallenser Sorgen. Immerhin hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Fehlinvestition nun gestoppt. Die 81 Millionen für die Infrastruktur der zur Schließung vorgesehenen Kasernen sind da „Peanuts“.

Zu den Milliardenkosten und den Risiken der Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM oder den erneuten Hilfen für Griechenland verliert der BdSt im diesjährigen Schwarzbuch – wie schon 2012 – allerdings kein Wort. Immerhin bekommt zumindest die EU ihr Fett weg. So sei beispielsweise das Straßburger Europaparlament nur „teure Symbolik“, die jährlichen Reisekosten zum zweiten EU-Sitz werden auf 44 Millionen Euro beziffert, die Verwaltungs- und Infrastrukturkosten schlagen mit über 44 Millionen Euro zu Buche – getragen wird all dies auch durch Steuergelder des EU-Nettozahlers Deutschland. Politiker und Beamte innerhalb der EU würden keinerlei Bemühungen zeigen, die Wasserköpfe von Straßburg und Brüssel zu verschlanken, klagt der BdSt.

Allerdings gab es auch Lob. Die Politik habe die Hauptursachen für die Kostenlawinen erkannt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) habe daher die Kommission „Bau von Großprojekten“ ins Leben gerufen. „Sie soll den gesamten Bauprozeß, von der ersten Idee bis zur Schlußrechnung, auf Schwachstellen durchforsten“, dies sei lobenswert. Aber der BdSt mahnt zugleich eindringlich: Die Kommission „darf nicht als Feigenblatt mißbraucht werden, um die Fehler der Vergangenheit und Gegenwart einfach auszublenden, denn die immer wiederkehrenden Kostentreiber sind in der Regel durch die Politik selbst verschuldet“.

BdSt-Übersicht der aktuellen Fälle von Öffentlicher Verschwendung: schwarzbuch.de

Bund der Steuerzahler (Hrsg.): Die öffentliche Verschwendung 2013. Eigenverlag, Berlin 2013, broschiert, 113 Seiten, kostenlos bestellbar

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