© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/13 / 25. Oktober 2013

Umwelt
Locker bleiben
Heiko Urbanzyk

Wer nach anstrengenden Arbeitswochen eher ironisch klagt, er sei um zehn Jahre gealtert, spricht ohne es zu wissen eine biologische Tatsache aus. Die kalifornischen Wissenschaftlerinnen Elizabeth Blackburn und Elissa Epel liefern im Magazin Gehirn & Geist (11/13) den Nachweis, daß ein Zusammenhang von Streß und vorzeitiger Alterung besteht. Auch vererbliche Genmutationen, die zu Anämie, Lungenfibrose, Demenz, Diabetes sowie Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen führen, können Streßfolgen sein. Grund sei eine vorzeitige Verkürzung der Telomere. Das sind die Endstücke von Chromosomen. Bei der Zellteilung mit fortschreitendem Alter verkürzen sich die Telomere. Das Enzym Telomerase springt eine Zeitlang ein und deckt das freigelegte Chromosomenende ab.

Doch irgendwann ist Schluß. Der Lack ist ab, unsere Alterung wird manifest. Dieser natürliche Prozeß wird durch Streß beschleunigt. Die Telomerverkürzung schwer belasteter Mütter, die ihre kranken Kinder alleine betreuten, entsprach einer biologischen Alterung um bis zu zehn Jahre. Die streßbedingte Telomererosion beginne vermutlich sogar im Mutterleib. „Nicht zu beherrschender psychischer oder sozialer Streß wirkt sich – vor allem in der Jugend – folglich ebenso gravierend auf die Gesundheit aus wie Rauchen oder Fastfood“, resümieren die Forscherinnen. Chronischen Streßfaktoren müsse daher gesamtgesellschaftlich vorgebeugt werden. Zwar helfen Yoga, Meditation und Bewegung. Dies nutze jedoch nur Patientengruppen, die es sich zeitlich und finanziell leisten könnten. Auch der Neurowissenschaftler Eric Nestler vom Mount Sinai Hospital in New York warnt: Massiver Streß durch Armut, sexuellen Mißbrauch oder Mißhandlungen führt zu physischen und psychischen Erkrankungen, die sich ins Erbgut einbrennen – Nachkommen werden weniger streßresistent.

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