© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/13 / 25. Oktober 2013

Moralischer Dammbruch in Limburg
Katholische Kirche: Die Vorwürfe gegen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst werfen auch ein bezeichnendes Licht auf die Deutsche Bischofskonferenz
Gernot Facius

Es lichtet sich der Nebel über dem Limburger Domberg, der Blick wird frei auf ein Geflecht aus Tatsachenverdrehung, Haß und Häme. Der unter Dauerbeschuß stehende Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, dem Papst Franziskus am Montag eine Audienz gewährte, wird durch neue Erkenntnisse (noch) nicht entlastet, aber die These von der Alleinschuld an dem finanziell aus dem Ruder gelaufenen Bau des Diözesanen Zentrums gerät ins Wanken.

Daß der Vermögensverwaltungsrat rund um den Ex-Staatssekretär Jochen Riebel von den Kostensteigerungen nichts gewußt haben soll, erweist sich als Legende. „Es zeigt sich jedenfalls, daß der Bischof kein krimineller Alleintäter ist, wie das manche vermutet hatten, und auch kein psychisch kranker Autist“, bilanzierte der Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur, Ludwig Ring-Eifel, im Kölner Domradio die Auswertung offizieller Protokolle. Diese Unterlagen trügen dazu bei, „ein wenig die Luft aus diesem doch etwas aufgeblasenen Skandal rauszulassen“. Das Gremium habe schon relativ früh gewußt, daß die Kosten „sich in einem zweistelligen Millionenbereich bewegen“. Was bleibt, und das wiegt schwer genug, ist der Vorwurf schlechter Kommunikation. Ein Aspekt, der auch vom Architekten des Bauprojekts, Michael Frielinghaus, beklagt wird. Gleichwohl nimmt er Tebartz-van Elst in Schutz: „Wir haben einen klugen Mann erlebt, der zuhören kann“. Der Bischof habe ihn, Frielinghaus, keineswegs mit Sonderwünschen bedrängt.

In der Causa Limburg brechen inzwischen alle moralischen Dämme. Aus der Mitte der Priesterschaft und des Mitarbeiterstabes des Oberhirten wurde die Lesart von einem psychisch kranken Menschen gestreut und von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung weiter verbreitet; man hat sich geradezu gegen den Bischof verschworen. Erstmals meldete sich daraufhin die Familie des Betroffenen zu Wort. Professor Ludger Tebartz-van Elst sprach von einer böswilligen Unterstellung: „Als Bruder und als Arzt kann ich klar erklären, daß er (der Bischof) weder an einem Asperger-Syndrom noch an einer anderen Variante von Autismus leidet.“

Kurz vor Ende seiner Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gerät selbst der sonst so leutselig auftretende Erzbischof Robert Zollitsch (Freiburg) ins Zwielicht. Eine „fragwürdige, ja eine unsägliche Äußerung“ hielt der Vorsitzende des Landeskomitees der bayerischen Katholiken, Albert Schmid, Zollitsch vor. Gemeint ist die – unvorsichtige, auslegungsfähige – Reaktion Zollitschs auf Fragen, wie er sich verhielte, wenn er in der Situation seines Limburger Amtsbruders wäre: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich damit weiterleben könnte.“ Habe der Episkopatsvorsitzende damit Freitod als Option angedeutet, wurde in konservativen Internetforen gefragt. Tebartz-van Elst war Mitte Oktober mehrere Tage zu Gast bei Schmid, dem ehemaligen Fraktionchef der SPD im Bayerischen Landtag, er berichtete dort über mangelnde Solidarität durch DBK-Mitglieder. Albert Schmid: „Es ist für Tebartz-van Elst eine furchtbar belastende Situation.“

Wie auch immer die Limburger Affäre ausgeht: Mit einem Rückzug oder einer Absetzung des Bischofs wäre das kleine, gerade einmal 650.000 Seelen zählende hessisch-rheinland-pfälzische Bistum noch nicht befriedet. Die Glaubwürdigkeitskrise betrifft nicht nur Tebartz-van Elst, sondern auch seinen Apparat, aus dem heraus die Medien mit immer neuen „Protz“-Vorwürfen gefüttert werden. Eine Apostolische Visitation wäre die richtige Konsequenz. Dann müßten auch die Hintermänner der Kampagne Farbe bekennen.

Die katholische Kirche in Deutschland geht spannenden Monaten entgegen. Im März 2014 wird sich entscheiden, wer als Nachfolger von Robert Zollitsch an die Spitze des Episkopats tritt – genau ein Jahr nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus und unter dem Eindruck des Limburger Konflikts. Die als Favoriten genannten Kardinäle Reinhard Marx (München) und Rainer Maria Woelki (Berlin) halten sich bedeckt. Kein Geheimnis ist indes, daß sich die kirchenpolitischen Koordinaten verschoben haben. Kardinal Joachim Meisner (Köln), der Tebartz-van Elst lange verteidigt hat (Limburg gehört zur Kölner Kirchenprovinz), wird am 25. Dezember 80 Jahre alt. In der Person von Meisner scheidet einer der einflußreichsten Bischöfe aus. Der konservative Flügel der DBK verliert seine Führungsfigur.

Damit wächst wieder der Einfluß des „liberalen“ Mainzer Kardinals Karl Lehmann, er hat die Wahl des Argentiniers Jose Mario Bergoglio unterstützt und vermutlich schon im Konklave 2005 für ihn gestimmt. Im Fall Limburg gehörte er, wie 2010 in der Augsburger Causa Mixa, zu den Bischöfen, die sich als erste mit dem Hinweis auf den Schaden für die Kirche in die aufgeregte Diskussion einklinkten – man kann auch sagen: den Stab über einen nicht akzeptierten Mitbruder gebrochen haben.

Kommentar Seite 2

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