© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

DVD: White Tiger
Wenn die Panzer reden
Sebastian Hennig

Regisseur Karen Shakhnazarov (61) erweist sich in seinem Weltkriegsopus „White Tiger“ als Bilder- und Raumzauberer. Sonne, Nebel und Regen geben den Szenen Weite, Dringlichkeit und Würde: Egal ob der Tiger zu „Tannhäuser“-Klängen aus dem Gebüsch bricht oder bei der Kapitulation in Karlshorst ein Fotograf ausrutscht.

Ostfront, Sommer 1943: Ein Panzerfahrer der Roten Armee wird fast völlig verbrannt. Doch Ivan Naydenov überlebt wundersam, erholt sich im Lazarett bald, nur sein Gedächtnis bleibt auf der Strecke. Der Große Vaterländische Krieg braucht jeden. „Um Panzer zu fahren, muß er nicht wissen, wer er ist.“

Auf dem Weg in den Einsatz betrachtet er mit zärtlicher Hinwendung Kriegsgerät, welches zerschossen aus den Kämpfen zurückgeführt wird. Als ihn Vorgesetzte auf sein seltsames Verhalten ansprechen, gibt er vor, von den Wracks ihr Schicksal erzählt zu bekommen. „Den hat der Weiße Tiger von hinten erwischt. Das hat er mir selber erzählt. Ich wurde auch von ihm angegriffen.“ Ein gefangener Soldat der Waffen-SS bringt es auf den Punkt: „Das ist der Triumph deutscher Geisteskraft.“ Kommandant Naydenov charakterisiert: „Der ist tot.“

Doch auch Naydenov ist ein „Toter“. Er wurde verbrannt und wiedergeboren. Der Krieg hat diesen neuen Menschen gezeugt, ausgetragen hat ihn eine Gebärmutter aus Panzerstahl. Die Fruchtblase ist von der Detonation des Weißen Tigers geplatzt. Seither reden die Panzer zu ihm, und er spürt die Geschosse vorab. Der Film erhielt eine Oscar-Nominierung, das russische Pendant, der Goldene Adler, wurde ihm verliehen.

Der Respekt für den Mythos des Großen Vaterländischen Krieges gibt dem Film das Gerüst und die Garantie, daß er nie ins Lächerliche abgleitet. Die Deutschen werden alle von deutschen Schauspielern dargestellt, darunter Christian Redl. Das einzige kleine Manko ist die Darstellung der Hauptperson; die Besetzung ist hier unbefriedigend ausgefallen.

Kein stimmungsvolles Hollywood-Gewagnere hypertrophiert die Handlung, sondern eine schräge Paraphrase des Pilgermarschs aus dem „Tannhäuser“ stützt unaufgeregt den Verlauf des Geschehens. Die Kampfszenen werden nie flippermäßig und entwickeln sich dramaturgisch sinnvoll. Die Fotografie ist meisterlich. Figurenführung, Kostüme und Bauten sind glaubwürdiger als das meiste, was zu diesem Thema sonst aufgeboten wird.

DVD/Blu-ray: White Tiger. Ascot Elite Home Entertainment, 2013 Laufzeit etwa 104 Minuten

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