© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Deutsches Bauernland in fremder Hand
Landwirtschaft: Internationale Finanzinvestoren nehmen bei der Suche nach lukrativen Kapitalanlagen auch heimische Agrarflächen ins Visier
Taras Maygutiak

Es ist der Kolonialismus der heutigen Zeit: Landnahme, im Fachjargon „Land Grabbing“ genannt. Durch den Anstieg der Weltbevölkerung wächst der Bedarf an Nahrungsmitteln und Agrarrohstoffen. Länder wie China, Japan, Südkorea oder auch die vom Nahrungsmittelimport abhängigen Golfstaaten kaufen vor allem in den armen Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas systematisch Agrarflächen in nie dagewesenem Ausmaß auf. Auch europäische und nordamerikanische Agrarkonzerne mischen kräftig mit, um sich Anbauflächen für Agrarrohstoffe zu sichern.

Die anhaltende globale Finanzkrise rief weitere Akteure auf den Plan. Auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten investieren längst auch Hedgefonds und Banken mit der Hoffnung auf satte Gewinne in Landgeschäfte. „Kaufe Land – es wird nicht mehr hergestellt“, soll bereits der US-Schriftsteller Mark Twain empfohlen haben. Diese Empfehlung aus dem vorvergangenen Jahrhundert wird beherzigt, und da auch die zu habenden Flächen in den Entwicklungsländern endlich sind, greifen Investoren nach den Agrarflächen Europas. Seit dem Jahr 2000 sind die Preise in Ländern wie Rumänien oder Litauen teilweise um mehr als das Vierfache angestiegen. Länder wie Polen, die Ukraine oder Ungarn haben seit geraumer Zeit diverse Beschränkungen für ausländische Investoren beim Erwerb von Grund und Boden erlassen. Der frühere rumänische Agrarminister Gheorghe Flutur appellierte im vergangenen Jahr an seine Landsleute, nicht mehr an Ausländer zu verkaufen. „Wir werden bald Knechte im eigenen Land sein“, warnte der rechtsliberale Politiker.

Der Hunger nach Agrarflächen macht sich auch in Deutschland bemerkbar. Beim diesjährigen Deutschen Bauerntag warnte sogar die Kanzlerin vor steigenden Preisen für Agrarflächen. Mit Argusaugen schaut der Deutsche Bauernverband (DBV) auf die Entwicklung. Bei der Tagung „Investoren in der Landwirtschaft“, gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht (DGAR) und der Edmund-Rehwinkel-Stiftung der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Berlin, wurde Klartext gesprochen: Finanzstarke Kapitalanleger hätten die Landwirtschaft für sich entdeckt, warnte DBV-Vize Werner Schwarz.

Zu den Investoren zählten sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen und Stiftungen. Speziell in den östlichen Bundesländern komme die Privatisierungspraxis der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) hinzu, die sich dort um den Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Flächen der früheren DDR-Treuhand kümmert. „Nach unserer Wahrnehmung haben zunächst viele vermögende Privatleute Interesse am Bodenkauf zur langfristigen Vermögensanlage. Diesen Trend gibt es in ganz Deutschland“, sagte Schwarz. Daneben würden in den östlichen Bundesländern auch Beteiligungen oder die Übernahme ganzer Agarbetriebe (meist Nachfolger der Landwirtschaftsgenossenschaften/LPG aus DDR-Zeiten) angestrebt.

Befördert werde dies durch neue Beteiligungsmodelle, die an das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) anknüpften. Erste Agrarbetriebe gehören mittlerweile börsennotierten Aktiengesellschaften, die auch landwirtschaftliche Flächen in großem Umfang erwerben. Hinzu kommen private Stiftungen und Fonds sowie speziell ausgerichtete Banken, die am Bodenmarkt aktiv sind, um Flächen für Naturschutzzwecke oder den ökologischen Landbau zu reservieren, weiß man beim DBV.

Belastbare Zahlen über den Umfang „nichtlandwirtschaftlicher Investoren“, habe man aber nicht, so Schwarz. Hedgefonds, staatliche Fonds oder Versicherungen spielten als Investoren auf dem deutschen Bodenmarkt bisher noch keine erkennbare Rolle: „Wir haben es also in Deutschland bisher nicht mit Land Grabbing zu tun.“ Der DBV will in den kommenden Monaten die Diskussion um Bodenpolitik führen.

Über das Ordnungsrecht müßte der Vorrang aktiver Landwirte vor Investoren sichergestellt werden, die den Erwerb von Flächen lediglich als eine Kapitalanlageform betrachteten. Staatliche Eingriffe in die Preisbildung des Bodenmarktes lehnt Schwarz allerdings ab. Den kleineren und mittleren Höfen würde es schon helfen, wenn die ganz großen Agrarunternehmen nicht noch zusätzlich durch den Löwenanteil der rund 280 Milliarden Euro Direktzahlungen bevorzugt würden. Das prangert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) seit Jahren an. Laut AbL bewirtschaften 90 Prozent aller Agarbetriebe in Deutschland weniger als 100 Hektar Acker- und Grünflächen. Auf sie entfielen aber nur 45 Prozent aller Direktsubventionen in Deutschland. Und das, obwohl sie zusammen drei Viertel der gesamten Arbeitsleistung der deutschen Landwirtschaft erbrächten.

Ende September einigten sich die EU-Staaten und das Europaparlament auf letzte Details der EU-Agrarreform. Dabei wurden Korrekturen bei der Ausschüttung der Direktzahlungen vorgenommen: Kleine Höfe sollen demnach bessergestellt werden. Nun müssen große Landbesitzer mit Kürzungen von mindestens fünf Prozent bei EU-Direktzahlungen von mehr als 150.000 Euro oder mehr pro Jahr rechnen.

Bündnis Junge Landwirtschaft: www.stopp-landgrabbing.de

Landnahme-Informationsportal des Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika: land-grabbing.de/land-grabbing

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen