© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

„Wir mit dem Premier“
Luxemburg: Trotz Rücktritts sieht sich Jean-Claude Juncker kurz vor der Wahl auf gutem Weg
Bodo Bost

Mir mam Premier“ (Wir mit dem Premier) verkündeten Anhänger von Jean-Claude Juncker nur Minuten nachdem der Premierminister Mitte Juli wegen einer Geheimdienstaffäre Neuwahlen angekündigt hatte. Am 20. Oktober wählt Luxemburg vorzeitig ein neues Parlament.

Ungeachtet des Skandals und Junckers Rücktritt dreht sich bei der Wahlkampagne der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) alles um den 58jährigen. Und der ehemalige Chef der Euro-Gruppe setzt auf Sieg. Denn viele Luxemburger verstanden und verstehen nicht, warum dessen Partner, die Luxemburger Sozialistische Arbeiterpartei (LSAP), wegen einer Affäre um illegale Abhöraktionen des Luxemburger Geheimdienstes SREL – angesichts weltweiter Abhör-Praktiken des US-Dienstes NSA, die ohne Folgen geblieben sind – die Koalition aufgekündigt hatte. Die große Frage ist nun, ob Juncker sein gutes Ergebnis aus dem Jahr 2009 (39 Prozent) erreichen kann.

Bis auf die Alternative Demokratische Reformpartei (ADR) scheinen kaum Alternativen in Sicht. Anders als die deutsche AfD hat die ADR jedoch nicht den Euro zum zentralen Wahlthema gemacht, sondern setzt auf nationale Werte wie die Luxemburger Sprache.

Inhaltlich unterscheiden sich die Programme der etablierten Parteien nur in Nuancen. So fordert die CSV Steuererhöhungen, während im Wahlprogramm der LSAP dieser Punkt fehlt. Trotz Euro-Krise, einer Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 20 Prozent und 22.700 Euro Schulden pro Kopf bleibt Luxemburg das reichste Land der EU – dies allerdings nur deshalb, weil 40 Prozent der Arbeitnehmer des 500.000-Einwohner-Landes Pendler aus dem Ausland sind und somit ganz wesentlich zum Luxemburger Wohlstand beitragen.

Dennoch ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im letzten Jahr nur um 0,1 Prozent gewachsen. Das Handelsbilanzdefizit stieg auf 13,8 Prozent. Die Finanzindustrie, die unter der 18jährigen Regierungszeit Junckers weiter aufgebaut wurde, trägt ein Viertel zum BIP bei.

Luxemburg gilt als Prototyp eines Staates, dessen Wertschöpfung überwiegend im Finanzsektor erfolgt. Wenn dieser einmal ins Rutschen kommt, wäre das Land nicht in der Lage, seinen Bankensektor allein zu retten. Nur mit Hilfe der EU könnte dies gelingen. Deshalb gilt das Land als europäischer Musterknabe, der alle Euro-Rettungsschirme diskussionslos mitgetragen hat. Die EU ist die Bühne, auf der sich Luxemburger Politiker bewähren. Auch Juncker vernachlässigte die Aufsicht über seinen Geheimdienst, weil er zur „Rettung des Euro“ ständig außerhalb des Landes unterwegs war.

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