© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Gefundenes Fressen
Limburg: Angesichts von Protz-Vorwürfen stürzen sich Medien und kircheninterne Kritiker auf den Bischof
Gernot Facius

Durchs Gebälk der katholischen Kirche in Deutschland pfeift ein scharfer Herbstwind. Ein der Prunksucht bezichtigter Diözesanbischof, dem überdies ein Strafbefehl droht; profilierungssüchtige Amtsbrüder, die nach Politiker-Manier, ohne kircheninterne Ermittlungen abzuwarten, mit Rücktrittsforderungen vorpreschen; ein Episkopatsvorsitzender, dessen Erzbistum wegen einer „Handreichung“ zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen römischen Unmut heraufbeschwört: Kann es eigentlich noch schlimmer kommen?

Standesämter melden einen Anstieg der Austrittszahlen – acht Monate nach der selbst von Agnostikern beklatschten „franziskanischen Wende“ im Vatikan. Der Fall des Limburger Oberhirten Franz-Peter Tebartz-van Elst liefert Medien im In- und Ausland täglich neuen Stoff für ihre „Protz“-Geschichten; ob die Details immer stimmen, darauf verschwendet vor allem der Boulevard keine Gedanken. 31 Millionen, möglicherweise gar 40 Millionen Euro für das neue „Diözesane Zentrum“ auf dem Limburger Domberg – das verschlägt einem zunächst die Sprache. Wenn, wie kolportiert, schon Ende 2010 klar gewesen sein soll, daß das ehrgeizige Projekt („exzellente Bauwerke, kein Protz“, notierte die Welt) mehr als 20 Millionen kosten würde, dann ist es tatsächlich Unsinn, von einer „Kostenexplosion“ zu sprechen. Dann waren dem oder den Verantwortlichen die Probleme längst bekannt: Hat der Bischof gelogen, als er noch im Juni die Kosten mit 9,85 Millionen Euro bezifferte, hat er von teuren Extrawünschen ablenken wollen, sind auch andere Verantwortungsträger involviert: der Generalvikar als „Alter ego“ des Oberhirten und das Domkapitel? Warum, fragte die katholische Tagespost, arrangierte sich der Vermögensverwaltungsrat des Bischöflichen Stuhls jahrelang mit einer – angeblichen – Unkenntnis der Situation?

Jetzt zu sagen, man sei durch den Bischof hinters Licht geführt worden, das will nicht recht einleuchten. Hat Tebartz-van Elst nachweislich die Finanzen nicht mehr unter Kontrolle oder hat er die Experten seines Vermögensverwaltungsrats planmäßig hintergangen, dann gibt es allerdings ein ernstes Problem mit Rom. Er kann sein Amt verlieren. Denn ein Oberhirte hat sich nach Canon 378 des Kirchenrechts nicht nur durch Frömmigkeit und Seeleneifer, sondern auch durch gute Sitten, Lebensweisheit, Klugheit sowie durch menschliche Tugenden und einen guten Ruf auszuzeichnen.

Daß auch bei weltlichen Bauprojekten, Hamburger Elbphilharmonie oder Bahnhof Stuttgart 21, die Ausgaben in die Höhe schossen, taugt nicht als Entlastungsargument, in der Kirche ist die (moralische) Fallhöhe eine andere. Der am Sonntag nach Rom gereiste Bischof hat sein Schicksal in die Hände des Papstes gelegt, ihm will er seine Version der Affäre erzählen. Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, spricht von einer „Medienkampagne“ gegen seinen Landsmann, der es zu widerstehen gelte. Die Frage ist nur: Wird die Kirche das Dauerfeuer gegen den „Skandalbischof“ aushalten, bis die Dinge restlos geklärt sind?

Im deutschen Episkopat rückt ein Bischof nach dem anderen von ihm ab. Der Vorsitzende Robert Zollitsch, der die Lage im Bistum Limburg als „sehr ernst“ bezeichnete, hält seinen Amtsbruder für nicht mehr tragbar, seitdem bekanntgeworden ist, daß die Hamburger Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen Tebartz-van Elst beantragt hat wegen mutmaßlicher Falschaussagen im Zusammenhang mit einem Erste-Klasse-Flug nach Indien. Zollitsch ist wie Tebartz-van Elst nach Rom gereist.

Bei der Betrachtung der Causa Limburg darf freilich nicht außer acht gelassen werden, daß es nicht nur um eine teure Baumaßnahme geht. In der notorisch unruhigen hessisch-rheinland-pfälzischen Diözese prallen zwei Kirchenverständnisse aufeinander: das streng hierarchisch-klerikale Kirchenbild des Bischofs und das progressive der Laien-Gremien, die auf mehr Mitwirkungsrechte pochen. Bei Tebartz-van Elsts Vorgänger Franz Kamphaus hatten die „Reformer“ viel Verständnis gefunden, der Nachfolger drehte das Rad wieder zurück, kappte liturgischen Wildwuchs und fusionierte gegen heftigen Widerstand Pfarrgemeinden. Mit jedem Schritt wuchs die Zahl seiner Gegner. Zuletzt ließ selbst der Kölner Kardinal Joachim Meisner, wenn auch vorsichtig, Distanz erkennen. Das muß dem Bischof zu denken geben, spielte sein Name doch bei den Spekulationen über Meisners Nachfolge eine Rolle. Damit hat es nun ein Ende.

Der „Fürstbischof“ (auch so ein Medienspott) geht in Rom einen schweren Gang. Aber auch der ebenfalls in den Vatikan gereiste Zollitsch muß sich am Tiber um Schadensbegrenzung bemühen: in eigener Sache. Schlagzeilen wie „Kirche gewährt wiederverheirateten Geschiedenen die Sakramente“ haben im Vatikan die Alarmglocken läuten lassen.

In einer „Handreichung“ des Freiburger Seelsorgeamtes wird nämlich erstmals beschrieben, wie wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Bedingungen zur Kommunion und zur Beichte gehen können. Die Medien haben nachgerade euphorisch reagiert; ihnen war suggeriert worden, man handele ganz im Sinne des Barmherzigkeit predigenden Papst Franziskus. Nichts da, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi: Kein deutscher Sonderweg im Umgang mit diesem sensiblen Thema, das im Oktober 2014 während einer Sonderbischofssynode zur Sprache kommen soll. „Überrascht“ gab sich auch Kardinal Reinhard Marx (München). Die Bischofskonferenz müsse in dieser Frage zusammenbleiben, Regelungen seien „im Einklang mit der Weltkirche“ zu suchen. „Völlig unbedacht“ nannte Prälat Markus Graulich, Richter am Vatikangericht Rota Romana, das Freiburger Vorpreschen. Wenn es um ein Sakrament gehe, könne man nur weltkirchlich vorgehen. Gleiches müsse auch gleich behandelt werden.

Erzbischof Zollitsch suchte den Irritationen die Spitze zu nehmen: Er habe die „Handreichung“ (ein „Impuls“), die laut seiner Aussage noch gar nicht veröffentlicht werden sollte, nicht unterschrieben, sie sei aber eng mit ihm abgestimmt. Merke: Auch Kirchenleute haben den Polit-Sprech schon verinnerlicht. Die Kirche in Deutschland ist wirklich nicht in guter Verfassung.

Kommentar Seite 2

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