© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Carsten Linnemann. Der neue MIT-Chef könnte heimlicher Oppositionsführer werden
Gegen die Kanzlerin?
Hinrich Rohbohm

Sein Motto ist: „Oft kommt es anders als erwartet. Doch hat es seinen Sinn, so wie es kommt.“ In der Mittelstandsvereinigung (MIT) der CDU dürfte man froh darüber sein, daß es nicht anders gekommen ist als erwartet und am Sonntag Carsten Linnemann zum neuen MIT-Bundesvorsitzenden gewählt wurde.

Schließlich verkörpert der 36 Jahre alte promovierte Volkswirt eine politische Unabhängigkeit, wie sie nicht nur in der Union selten geworden ist. Der gebürtige Paderborner gehörte zu jenen wenigen Bundestagsabgeordneten, die sich dem als „Euro-Rettungspolitik“ verkauften Kurs der Kanzlerin widersetzten und gegen Milliardenzahlungen für Griechenland stimmten. Seine Position: Jedes Land müsse für eigene Schulden haften. Und einen europäischen Bundesstaat sieht er skeptisch.

Auch Arbeitsministerin von der Leyen hatte Linnemann die Stirn geboten, als er die von ihr eingebrachte beitragsfinanzierte Zuschußrente ablehnte. Als ausgesprochener Gegner von Steuererhöhungen und der Einführung von Mindestlöhnen verteidigt er CDU-Positionen, die unter Merkel faktisch aufgegeben worden sind. Linnemann möchte, daß die CDU wieder als Wirtschaftspartei wahrgenommen wird. Ein Unterfangen, für das der Jungpolitiker, der den Hundert-Meter-Lauf zu seinen Stärken zählt, Ausdauer benötigt.

Die hatte schon sein Vorgänger im Amt des MIT-Vorsitzenden Josef Schlarmann bewiesen, ein erklärter Merkel-Gegner. Wie Schlarmann hat Linnemann den Vorteil, sich mit der MIT im Rücken innerparteiliche Kritik leisten zu können, auch wenn diese bei ihm sicher moderater ausfallen wird. Dennoch dürfte die Kanzlerin den heimatverbundenen Ostwestfalen mehr fürchten als den ehemaligen grünen Wirtschaftsexperten Oswald Metzger, der 2008 zur CDU gewechselt und Linnemann im Kampf um den Vorsitz mit 137 zu 374 Stimmen unterlegen war.

Der ehemalige Assistent des einstigen Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Norbert Walter, arbeitete bei der IKB, ehe er 2009 erstmals in den Bundestag einzog. Am 22. September verteidigte Linnemann sein Direktmandat mit 59 Prozent, ein Zuwachs von sieben Prozent.

Mit dem stark verjüngten MIT-Bundesvorstand im Rücken könnte Linnemann nach dem Ausscheiden der FDP und dem verpaßten Einzug der AfD im Bundestag als eine Art heimlicher Oppositionsführer des Bürgertums fungieren. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob er in diese Rolle tatsächlich hineinwachsen will und kann. Eines will der Mann, der nach eigener Aussage nicht sein ganzes Leben lang Politiker sein möchte, aber auf jeden Fall: politische Akzente setzen. Natürlich kann es da schon passieren, daß ihn die derzeitige CDU-Führung abserviert, sollte er allzu forsch auftreten. Allerdings, oft kommt es ja anders als erwartet ...

www.carsten-linnemann.de

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