© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Frisch gepreßt

Geschichte denken. Seine als Studienbuch nachdrücklich zu empfehlende Darstellung geschichtsphilosophischer Spekulationen beginnt der Potsdamer Philosoph Matthias Schloßberger mit der antiken Lehre von der ewigen Wiederkehr und er endet mit der Inspektion des eklektizistischen Ideengewusels „nach 1989 und Nine Eleven“, das auf die „großen normativen Fragen“ jenseits von nebulösen Hoffnungen auf Konsum und Glück kaum Antworten mehr parat habe. Leider beläßt es Schloßberger in diesem letzten, der Geschichtsphilosophie der Gegenwart gewidmeten Kapitel bei Skizzen, wie auch die Geschichtsdenker des 20. Jahrhunderts eher blaß bleiben, obwohl er auch bei ihnen die Transformation von Geschichtsideen in politische Weltanschauung nicht ausblendet. Daß diese Realisierung selbst beim Marxismus, der „wirkmächtigsten philosophischen Lehre der Geschichte“, nicht gesetzmäßigen Vorgaben gehorchte, zeigt Schloßbergers Hinweis auf den plombierten Eisenbahnzug, mit dem die deutsche Regierung Lenin 1917 nach Sankt Petersburg brachte und damit die Oktoberrevolution ermöglichte. (ob)

Matthias Schloßberger: Geschichts-philosophie. Akademie Verlag, Berlin 2013, broschiert, 269 Seiten, Abbildungen, 24,80 Euro

 

Kriegskinder. Seit kurzem finden die nach 1933 geborenen Jahrgänge, die den Zweiten Weltkrieg und die Entbehrungen der Nachkriegszeit als Kinder erlebten, und sogar die „Kriegsenkel“, auf deren in den fünfziger und sechziger Jahren verbrachter Kindheit die Traumatisierungen der von Krieg, Gefangenschaft, Flucht und Vertreibung gezeichneten Elterngeneration lasteten, die verstärkte Beachtung von Psychologen. Kathleen Battke, Jahrgang 1959, ist selbst mit dem „Empfinden der Heimatlosigkeit“ ihrer Flüchtlingseltern aufgewachsen, in einem Familienalltag, der von einer Stimmung der „Melancholie, des Schweigens und schwer verständlicher Andeutungen“ geprägt worden sei. Das habe sie früh motiviert, ihre Heimat in „inneren Welten“ zu suchen. Heute hilft sie Leidensgenossen, sich frühen Verstörungen zu stellen und sich schreibend mit ihnen auseinandersetzen. Aus dieser „Trauerarbeit“ schöpft sie Material für ein Kapitel deutscher Mentalitätsgeschichte, für das ihr einfühlsames Buch über die „Trümmerkindheit“ Pionierarbeit leistet. (mb)

Kathleen Battke: Trümmerkindheit. Erinnerungsarbeit und biographisches Schreiben für Kriegskinder und Kriegsenkel. Kösel-Verlag, München 2013, gebunden, 270 Seiten, 17,99 Euro

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