© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Zeitschriftenkritik: Eigentümlich frei
Unter Rockern
Werner Olles

In diesem Punkt sind sich Politik, Medien und Sicherheitsbehörden einig: Rockergruppen gelten als „Organisierte Kriminalität“ und stellen eine Bedrohung für Leib und Leben normaler Bürger dar. Es ist müßig darüber zu spekulieren, warum man sich auf diese Gruppen eingeschossen hat. Festzustellen bleibt allein, daß Rocker – ganz im Gegensatz zu Linksextremisten und gewalttätigen Migranten – weder in den Medien noch im Parlament über eine Lobby verfügen. Zudem wird stets nur über sie berichtet, selten mit ihnen gesprochen. Das libertäre Magazin Eigentümlich frei geht im Schwerpunktthema seiner aktuellen Ausgabe (Nr. 136, Oktober 2013) daher der Frage nach, was wirklich an den offiziösen Behauptungen über die Gefährlichkeit von Hells Angels und Bandidos dran ist, und kommt dabei, wen wundert’s, zu ganz anderen Ergebnissen.

Gleich zwei Autoren widmen sich mit hervorragend recherchierten Beiträgen der brisanten Thematik. Henning Lindhoffs Erfahrungsbericht „Es gibt Reis“ schildert den Besuch des Autors bei den Dortmunder Bandidos. Schnell kommen die Gespräche auf die Vorwürfe gegen die Rocker. Es wird keineswegs bestritten, daß einzelne Mitglieder auch für kriminelle Taten verantwortlich seien, doch könne man aus solchen Einzelfällen keinesfalls schließen, man sei eine kriminelle Vereinigung. 90 Prozent aller Bandidos gingen normalen Berufen nach, führten ein bürgerliches Leben als Familienväter, die das Motorradfahren und den Klub als intensive Hobbys pflegten.

Auch Dominik Röltgen erhält bei den Hells Angels einen „Einblick in eine andere Welt“. Am 17. März 1948 im kalifornischen San Bernardino gegründet sind die „Angels“ der größte und berühmteste „Outlaw Motorcycle Club“. In Deutschland wurden in letzter Zeit mehrere Charter verboten, andere lösten sich freiwillig auf. Doch auch hier will sich niemand in die kriminelle Ecke stellen lassen. Die Erfahrungen mit den Medien sind schlecht, man pflegt ein unterkühltes Verhältnis zur Presse. Dabei konnten in keiner einzigen Verbotsverfügung Vorwürfe wie Drogenhandel oder Zwangsprostitution nachgewiesen werden, doch die Behörden würden das Beweisrecht kurzerhand umdrehen. Das Verhältnis zu den Bandidos wird als „derzeit sehr ruhig“ beschrieben. Ein Rockerkrieg sei nicht in Sicht. Freimütig wird auch über den tragischen Unglücksfall berichtet, als ein Mitglied der Hells Angels im März 2010 einen SEK Beamten mit einem Schuß tödlich verletzte. Vom Bundesgerichtshof wurde der Rocker freigesprochen.

Weitere Beiträge befassen sich unter anderem mit der Initiative des Schweizer Nationalrats Lukas Reimann von der SVP, der über 100.000 Unterschriften für ein Verbot weiterer Goldverkäufe und zur Rückholung aller im Ausland gelagerten Goldreserven durch die Schweizer Notenbank sammelte, sowie mit dem „Free State Project“ der Siedler von New Hampshire, die den US-Bundesstaat zum Minimalstaat machen wollen.

Kontakt: Lichtschlag Medien. Schanzenstr. 94, 40549 Düsseldorf. Das Einzelheft kostet 8,70 Euro, das Jahresabo 83 Euro.

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