© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Politische Illusionen über ein Abflauen der Euro-Krise
Krisengewinnler
Dirk Meyer

Die moderaten Renditen griechischer Staatsanleihen sind kein Indiz für eine strukturelle Lösung der Euro-Krise. Denn weitere Hilfen für Griechenland sind angesichts der mangelnden Schuldentragfähigkeit unumgänglich. Nachdem Fachleute dies bereits bei Beschluß des zweiten Hilfspakets als unvermeidlich vorhersagten, erkennt dies inzwischen auch die handelnde Politik.

Eine nachhaltige Lösung wäre ein weiterer Schuldenschnitt, kombiniert mit der Wiedereinführung der Drachme. Da 90 Prozent der griechischen Staatsschulden bei den Rettungsschirmen EFSF/ESM sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen, wären die Verluste budgetwirksam. Zudem würde die monetäre Staatsfinanzierung der EZB offenbar. Somit scheidet dieser Weg aus. Die Finanzmärkte wissen das – Renditen lügen nicht. Ein drittes Milliarden-Paket ist ebenfalls unwahrscheinlich. Den Parlamentariern fiele die Rechtfertigung gegenüber der Öffentlichkeit zunehmend schwerer. Alternativ wird deshalb über eine Zinssenkung und die Laufzeitverlängerung der Kredite gesprochen. Dies käme einem indirekten Schuldenschnitt zu Lasten öffentlicher Gläubiger gleich.

Besonders attraktiv, da volumenmäßig unbegrenzt und jeglicher parlamentarischer Kontrolle entzogen, erscheinen die vermeintlich kostenlosen Maßnahmen der EZB. Für das von Mario Draghi mit der Parole „whatever it takes“ angekündigte OMT-Ankaufprogramm von Staatsanleihen müssen Staaten formal drei Bedingungen erfüllen: volles EFSF/ESM-Programm, Zugang zum Anleihemarkt, Störung des geldpolitischen Übertragungsmechanismus. Die ersten beiden Punkte schließen sich jedoch grundsätzlich aus. Als Einfallstor bieten sich vorsorgende Kreditlinien des ESM bei weichen Auflagen, die zugleich einen Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen. Wie die seit der Draghi-Ankündigung gesunkenen Risikoprämien der Krisenländer zeigen, setzen Investoren auf diese indirekte monetäre Staatsfinanzierung zur Umgehung des Bankrotts.

Jüngst hat Draghi eine Neuauflage der „Dicken Bertha“, einen EZB-Kredit über drei Jahre, ins Gespräch gebracht. Es ist das Perpetuum mobile zum staatlichen Gelddrucken schlechthin. Griechenland begibt neue Staatsschuldpapiere, die vornehmlich heimische Banken kaufen. Über den EZB-Kredit, der mit diesen Schrottanleihen als Pfand besichert wird, kommt neues Geld in den Kreislauf.

Die Banken profitieren, denn die griechische Zehn-Prozent-Anleihe wird mit 0,5-Prozent-EZB-Geld finanziert. Doch dieses monetäre Perpetuum mobile widerspricht ökonomischer Vernunft: Ein hinausgezögerter Staatsbankrott verbunden mit Geldentwertung ist die langfristige Folge. Doch das interessiert die kurzfristig orientierten Krisenprofiteure allerorten nicht.

 

Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

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