© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die Rentner sind Schuld
Lukas Lang

Während die Parteien im Regierungsviertel noch eifrig dabei sind, das Wahlergebnis vom 22. September in ein regierungsfähiges Bündnis umzusetzen, hat bereits die wissenschaftliche Analyse des Wählerwillens begonnen. Ganz vorne mit dabei ist der Berliner Politologe Oskar Niedermayer, der bereits in der vergangenen Woche bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung erste Antworten auf die Frage lieferte, wieso Deutschland so gewählt hat, wie es gewählt hat.

Leicht haben es ihm dabei die Grünen gemacht. Für die Verluste der Partei machte Niedermayer neben der Pädophilie-Debatte und dem „Veggie Day“ vor allem die Entfernung vom früheren grünen Kernthema Umweltschutz verantwortlich. Stattdessen hätten die Grünen „die größte Dummheit überhaupt“ begangen, indem sie durch ihre Steuerpolitik einen Linksrutsch vollzogen hätten. Zwar sollten dabei nur die oberen zehn Prozent belastet werden, aber von denen wollten eigentlich 17 Prozent die Grünen wählen.

Der Absturz der FDP deutete sich laut Niedermayer schon in den Umfragen an. In einer Bewertung der Spitzenkandidaten auf einer Skala von plus 5 bis minus 5 kamen Parteichef Philipp Rösler und Außenminister Guido Westerwelle nicht über die Nullgrenze. Rainer Brüderle, immerhin Fraktionsvorsitzender, erschien erst gar nicht in der Wertung, weil ihn nicht genug Befragte unter den Spitzenpolitikern sahen. Auch wurde dem Personal der FDP in den Umfragen weder Problemlösungskompetenz noch Glaubwürdigkeit attestiert.

Bei der Alternative für Deutschland (AfD) habe sich erneut gezeigt, daß Wissenschaft und Umfrageinstitute neugegründete Parteien nicht richtig einschätzen können. Interessant war vor allem die Verteilung der Wähler nach Altersgruppen. In der Gruppe der 18- bis 59jährigen bekam die AfD sechs Prozent. Erst bei den Wählern über 60 fiel der Wert auf etwas unter zwei Prozent, weswegen Niedermayer die Ursache für das Scheitern der AfD an der Fünfprozenthürde bei den Rentnern sieht.

Eindeutig Niedermayers Fazit zum Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück: Merkel konnte in ihrer Partei über 90 Prozent der Mitglieder hinter sich versammeln. Im Fall Steinbrück waren es nur zwei Drittel. Zudem habe sich die SPD seit der Wahl 2009 nicht weiterentwickelt. Umfragewerte zu den Kernthemen Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaft veränderten sich um nur einen Prozentpunkt, während die CDU hier deutlich zulegen konnte.

Soziale Gerechtigkeit war außerdem das einzige Thema, bei dem der SPD mehr Kompetenz zugesprochen wurde als der CDU. Allerdings sagte weniger als jeder zehnte von sich, es gehe ihm finanziell schlecht. „Deswegen mußte die SPD den Leuten erst einreden, daß es ihnen in Wirklichkeit gar nicht so gut geht, wie sie sich fühlen.“ Und so erklärte sich Niedermayer auch die SPD-Wahlplakate mit den bedrückten und unzufriedenen Gesichtern. „Erst wenn man uns wählt“, so die Logik der Sozialdemokraten, „geht es den Menschen so gut, wie sie sich heute schon fühlen.“

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