© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Asfa-Wossen Asserate. Der afrikanische Bestsellerautor wirbt für mehr Patriotismus
Der letzte Deutsche
Michael Paulwitz

Männer wie Asfa-Wossen Asserate dürfte es in egalitären und egobesessenen Zeiten wie diesen eigentlich gar nicht mehr geben: Der äthiopische Prinz und Frankfurter Unternehmensberater ist nicht nur Herzensmonarchist und Tübinger Corpsstudent, er ist auch mit größter Leidenschaft Patriot, Kulturbürger und Abendländer.

Bekannt wurde er 2003 mit seinem Bestseller „Manieren“, einem Schatzkästlein letzter bürgerlicher Habseligkeiten jenseits von Zivil- und Massengesellschaft. Asserates stillen Anekdoten und unaufdringlichen Reflexion darin ließen sich auch als Kulturkritik lesen. Mit viel Liebe machte sein Buch klar, daß Bürgerlichkeit nichts mit Spießigkeit, Dünkel oder Unterwürfigkeit zu tun hat, sondern mit Feinsinnigkeit, Aufrichtigkeit und kulturellem Gemüt.

Abwechselnd schreibt der 1948 in Addis-Abeba geborene und 1968 zum Studium nach Deutschland gekommene Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie und „Sohn aus dem Hause Davids“ seitdem über seine afrikanische und seine deutsche Heimat.

Mit „Draußen nur Kännchen. Meine deutschen Fundstücke“ (JF 41/10) formulierte er 2010 seine offizielle Liebeserklärung an Deutschland, mit der der Prinz dazu beitragen wollte, „die Reserviertheit der Deutschen gegenüber der Tugend des Patriotismus zu überwinden“, zumal viele nicht wüßten, „in welch großartigem Land sie leben und was für einem Kulturvolk sie angehören“, wie er im Interview dieser Zeitung anvertraute.

In diesem Jahr findet seine Mission mit dem Buch „Deutsche Tugenden. Von Anmut bis Weltschmerz“ (JF 28/13) Fortsetzung, in dem er nicht nur Fleiß, Pünktlichkeit und Ordnungsliebe der Deutschen preist, sondern ihnen auch Bescheidenheit, Humor und Zivilcourage in ihrer Kulturgeschichte nachweist.

Daß es ein gebürtiger Ausländer ist, der die Deutschen zum Stolz auf die eigene Geschichte mahnt, ist dem feinsinnigen Beobachter natürlich aufgefallen. Seinen Reim darauf macht der Autor sich dezent, aber eindeutig: Ohne Tradition keine Würde, ohne Manieren keine Identität, und ohne beides keine Selbstachtung. Die sei von den Achtundsechzigern zerstört, das Erbe der deutschen Tugenden achtlos vertan worden – dieses Urteil erlaubt sich Asserate schon, auch wenn er Einmischung in tagespolitische Diskurse sonst ablehnt.

1974 machte der kommunistische Umsturz in Äthiopien Asserates Auslandsstudium zur Auswanderung. Der Kaisersproß mit dem Jahrtausend-Stammbaum wurde Bundesbürger, promovierte, machte Karriere und erforscht seitdem das Wesen der Deutschen, für deren größtes Unvermögen er hält, daß sie, wie er dem Spiegel offenbarte, beim Klang ihrer Nationalhymne „vor Ergriffenheit nicht mehr weinen können“. Kein Zweifel, daß Prinz Asserate, vielleicht der letzte Deutsche, dies noch vermag – nicht nur für Äthiopien.

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