© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Wohlstand zunehmend ungleicher verteilt
Allianz-Report: Deutsche haben weniger Vermögen als Euro-krisengeplagte Franzosen oder Italiener
Christian Schreiber

Nicht nur die Entwicklung der durchschnittlichen Geldvermögen wird durch Krise und Niedrigzinsen in Mitleidenschaft gezogen. Auch die Verteilung der Vermögen verändert sich – zum Schlechteren.“ Diese Feststellung stammt weder von der Linkspartei noch der Alternative für Deutschland (AfD), sondern aus dem „Global Wealth Report 2013“ des Allianz-Konzerns, der jeder System- oder Euro-Kritik unverdächtig ist.

Seit Beginn des Jahrtausends gibt es markante Verschiebungen: „In den USA und im Euro-Raum ist die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensoberklasse sowohl absolut als auch relativ (Anteil an der jeweiligen Gesamtbevölkerung) zurückgegangen“, heißt es in der Studie über die weltweite Wohlstandsentwicklung. Gleichzeitig wuchs die „low wealth“-Klasse: Die Zahl der Personen mit einem Netto-Geldvermögen von unter 4.900 Euro stieg um 67 Millionen.

Daß das Bruttogeldvermögen der Deutschen voriges Jahr um 4,9 Prozent auf 4.939 Milliarden Euro stieg, klingt gut. Doch weltweit kletterte das Vermögen der privaten Haushalte in Form von Bargeld, Bankeinlagen, Aktien oder Ansprüchen gegenüber Versicherungen um stolze 8,1 Prozent. Wertgegenstände wie Autos oder Kunstwerke fanden dabei keine Berücksichtigung. Der globale Vermögensbestand von Geld summierte sich auf ein Rekordniveau von 111,2 Billionen Euro. Ausschlaggebend war insbesondere der Ansteig an den Aktienmärkten. Das in Wertpapieren gehaltene Vermögen erreichte mit einem Plus von 10,4 Prozent das beste Ergebnis seit der Finanzkrise. Auch die Ansprüche gegenüber Versicherungen oder Pensionsfonds stiegen 2012 um 7,4 Prozent. Für die Studie wurden die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in über 50 Ländern analysiert.

Die dramatischen Folgen der Finanz- und Euro-Krise sind unübersehbar: In Griechenland liegt das durchschnittliche Nettovermögen nur noch bei 28 Prozent des Euro-Raums. Vor der Krise waren es über 50 Prozent. In Spanien sind es jetzt 44 statt 61 Prozent. „Die wachsenden Vermögensunterschiede im Euro-Raum sind ein Resultat der Krise. Geht diese Schere zwischen Nord und Süd weiter auf, kann dies den Zusammenhalt in Europa untergraben“, warnt Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.

Zum Zuwachs der globalen Geldvermögen trug mit knapp 16 Prozent vor allem Asien bei. Auch Lateinamerika und Osteuropa wuchsen im zweistelligen Bereich. Dank starker Börsenkurse waren es in Nordamerika immerhin noch 8,3 Prozent. Westeuropa mußte sich mit 5,3 Prozent begnügen. Während die Vermögen global wieder schneller wuchsen, stiegen die Schulden langsamer an: Im Verlauf des Jahres kletterte die Schuldenlast weltweit nur um 2,9 Prozent. In den zehn Jahren vorher betrug der Anstieg durchschnittlich 5,5 Prozent pro Jahr.

Daß die Schweiz weder Mitglied der EU noch des Euro ist, bleibt offenbar ein Vorteil: „Mit einem Nettogeldvermögen pro Kopf von 141.900 Euro führen die Eidgenossen nicht nur die regionale, sondern auch die globale Rangliste an – mit deutlichem Abstand zu den zweitplazierten US-Amerikanern (100.710 Euro)“. Die sozialdemokratisch geprägten Hochsteuer- und Wohlfahrtsstaaten Dänemark und Schweden liegen mit 53.374 bzw. 54.065 auf dem Niveau des von der Finanzindustrie beherrschten Großbritannien (58.905). Obwohl die Deutschen im Rahmen der Euro-Rettung und Bankenunion für die größten Summen haften müssen, liegt ihr Netto-Geldvermögen mit 41.954 Euro pro Kopf nur im Mittelfeld. Potentielle Pleitekandidaten wie Belgien, mit einer Staatsschuld von fast 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), glänzen mit 73.523 Euro pro Kopf.

Die Franzosen (90 Prozent Staatsschuld) liegen mit 44.306 Euro ebenfalls vor den Deutschen. Besonders eklatant ist die Kluft zwischen privatem Reichtum und staatlicher Armut in Italien: Dort verfügt jeder im Schnitt – nach Abzug aller Verbindlichkeiten – netto über 45.770 Euro. Der italienische Staat steht hingegen mit bald 2,1 Billionen Euro (127 Prozent des BIP) in der Kreide. Das private Nettovermögen der Italiener ist demnach immer noch einige hundert Milliarden Euro höher als die öffentlichen Schulden. In Griechenland haben die Euro-Rettungshilfen pro Kopf hingegen schon die Höhe des Nettovermögens von knapp 11.000 Euro erreicht.

Brisant sind die Auswirkungen der krisenbedingten Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB): „In Deutschland war der Saldo aus Zinsverlusten und -gewinnen der privaten Haushalte 2012 negativ, im übrigen Euro-Raum dagegen positiv“, konstatiert der Allianz-Report. „Während in Deutschland die Sparer/Kreditnehmer insgesamt 5,8 Milliarden Euro verloren (pro Kopf: 71 Euro), wurden die Bürger im übrigen Euro-Raum per Saldo um knapp 34 Milliarden Euro entlastet (134 Euro pro Kopf).“ Besonders hoch fielen die Nettozinsgewinne mit 11,5 bzw. 12,5 Milliarden Euro in Spanien und Italien aus.

Die statistischen Mittelwerte im Allianz-Report haben allerdings eine Schwäche: Die Daten über das Geldvermögen messen lediglich das Wachstum der Geldmengen insgesamt. Über die tatsächliche Verteilung des Vermögens innerhalb der Bevölkerung sagen sie nichts aus. Diese Schwachstelle soll dadurch ausgeglichen werden, daß die Situation der Armen (low wealth), der Mittelklasse (middle wealth, 4.900 bis 29.200 Euro Nettovermögen) und der Reichen (high wealth, über 29.200 Euro) gesondert ausgewiesen wird. Wie kommt die Allianz auf diese Einteilung? Man habe sich an der der Weltbank orientiert, heißt es lapidar zur Erklärung.

„Allianz Global Wealth Report 2013“: www.allianz.com

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen